Der Findling
dieses Nachmittags ein guter Gedanke gekommen?
– Ein Gedanke, Grip?..
– Nun ja, hast Du Dich für etwas entschieden, was Du anfangen willst?
– Was ich anfangen will… nein, das noch nicht, doch was ich nicht anfangen will, ja. Unsern Straßenhandel wie in Cork wieder aufzunehmen, das ist hier aussichtslos. Für den Verkauf von Zeitungen und Broschüren giebt es zu viel Concurrenz.
– Das mein’ ich auch, sagte Grip.
– Ob wir mit dem Karren durch die Straßen fahren sollen… das weiß ich nicht… welcherlei Waaren sollte man da verkaufen?… Auch solche fahrende Händler giebt es schon sehr viele. Nein, es erscheint mir das rathsamste, gleich einen kleinen Laden zu miethen….
– Jetzt bist Du auf dem richtigen Wege, mein Boy!
– Einen Laden in einem Stadttheil mit lebhaftem Verkehr… nicht von reichen Leuten… so etwa in einer Straße der Freiheiten….
– Ganz vortrefflich! rief Grip.
– Was sollen wir da aber verkaufen? fragte Bob.
– Lauter nützliche Dinge, antwortete Findling, alles, was täglich gebraucht wird….
– Also etwas zum Essen, meinte Bob, zum Beispiel Kuchen, nicht wahr?
– Das Leckermäulchen! rief Grip. Kuchen gehören doch nicht zu den nützlichen Dingen….
– O doch, weil sie gut schmecken.
– Das genügt nicht, vor allem müssen die Dinge nothwendig sein, erwiderte Findling. Doch… das wird sich finden. Erst will ich mir das Quartier da unten noch ansehen. Allem Anscheine nach machen die Händler daselbst gar nicht so schlechte Geschäfte. Ich denke, so eine Art Bazar….
– Ein Bazar… richtig! jubelte Grip, der schon den großen, reich ausgestatteten Laden Findlings mit glänzender Firma vor sich sah.
– Ich werde mir’s überlegen, Grip. – Nur nicht überhasten! Ehe man sich entscheidet, muß man alles reiflich erwägen.
– Und vergiß nicht, mein Boy, daß ich mein ganzes Geld zu Deiner Verfügung stelle. Ich weiß so wie so nicht, was ich damit anfangen soll, und wirklich, es belästigt mich nicht wenig, es immer bei mir zu tragen….
– Warum legst Du es denn nicht an, Grip…?
– Ja, gern, bei Dir… Willst Du es?
– Wir werden sehen, vielleicht später… wenn unser Handel gut geht. Für jetzt fehlt mir ja nur mehr das Hans, in dem ich einen Laden eröffnen könnte, und wo nicht zu viel Risico dabei wäre…
– Keine Angst, mein Boy! Ich sage Dir, Du erwirbst Dir ein Vermögen, das weiß ich gewiß! Ich sehe Dich schon im Besitz von hunderten, von tausenden Pfund Sterling…
– Wann fährt denn der »Vulcan« ab, Grip?
– Etwa in acht Tagen.
– Und kehrt hierher zurück?
– Nicht vor Verlauf von zwei Monaten, denn wir wollen nach Boston, Baltimore, ich weiß nicht, wohin, oder vielmehr überall hin, wo Fracht einzunehmen…
– Und hierher zu bringen ist!« rief Findling mit heimlichem Neide.
Endlich trennten sie sich. Grip wandte sich nach den Docks zu, während Findling mit Bob und Birk die Brücke über die Liffey überschritt, um nach Saint-Patrick zurückzugelangen.
Wie vielen Atmen beiderlei Geschlechts begegneten sie da, doch auch wie vielen, die von übermäßig genossenem Whisky und Gin widerwärtig dahinschwankten!
Wozu hatte es genützt, daß der Erzbischof Johann bei einem 1186 in der Hauptstadt Irlands abgehaltenen Concil so wüthend gegen die Trunksucht gedonnert hatte? Sieben Jahrhunderte später trank Paddy noch immer über die maßen und weder ein andrer Erzbischof noch ein andres Concil dürfte jemals im Stande sein, diesen traurigen Erbfehler auszurotten.
Elftes Capitel.
Der Bazar »Zum kleinen Geldbeutel«.
Unser Held zählte jetzt elfeinhalb und Bob acht Jahre, so daß beide zusammen noch nicht einmal das majorenne Alter dargestellt hätten. Findling schon mitten in der Geschäftsthätigkeit, im Begriff, ein Handelshaus zu gründen. Es gehörte wirklich die blinde Vorliebe eines Grip dazu, um zu glauben, daß er damit gleich Glück haben, daß sein Handel nach und nach Umfang genug erreichen werde, um damit ein Vermögen zu erwerben.
Jedenfalls besaß das Quartier Saint-Patrick zwei Monate nach dem Eintreffen der beiden Knaben in der Hauptstadt Irlands einen Bazar, der die Aufmerksamkeit der Leute erregte und auch eine große Kundschaft heranlockte.
Dieser Bazar aber war nicht etwa in den ärmlichen Straßen der Freiheiten zu suchen, die sich in der Umgebung der Saint-Patrick-Street kreuzen.
Findling hatte es vorgezogen, sich mehr nach der Liffey zu, in der Bedford-Street, zu etablieren, wo
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