Der Findling
begünstigt gewesen wäre?… Nein, ich habe manche Schwierigkeiten zu überwinden, manche Verluste zu tragen gehabt, bis ich mich als Herrn meiner Lage fühlte. Bist Du nicht selbst ein Beispiel dafür? Hast Du Deine Laufbahn nicht als ein Spielball des Elends begonnen, und jetzt…
– Ja, Sie haben Recht, Herr O’Brien; ich frage mich auch manchmal, ob nicht alles nur ein Traum ist.
– Nein, mein liebes Kind, es ist echte, schöne Wirklichkeit! Daß Du ganz anders gehandelt hast, als man es von einem zwölfjährigen Kinde erwarten konnte, ist freilich etwas ganz außergewöhnliches. Doch, die Vernunft ist nicht immer nach dem Alter zu messen, und von ihr hast Du Dich von jeher leiten lassen.
– Von der Vernunft?… Vielleicht Und doch wenn ich mir meine heutige Lage vergegenwärtige, scheint es mir, daß der Zufall daran nicht wenig Antheil hat.
Im Leben giebt es weniger Zufall, als du glaubst, alles geht mit logischer Nothwendigkeit eines aus dem andern hervor. Das wirst Du noch erfahren. Es ist auch selten, daß ein Unglück nicht durch einen Glücksfall wettgemacht würde.
– Das glauben Sie, Herr O’Brien?
– Ja, und um so fester, als es, was Dich betrifft, gar nicht zweifelhaft sein kann. Das hab’ ich mir schon oft gesagt, wenn ich über Deinen Lebenslauf nachdachte. So bist Du zu der bösen Hard gekommen, das war ein Unglück….
– Aber auch ein Glück, weil ich dort die gute Sissy kennen lernte, deren Liebe zu mir ich nie vergessen kann. Was mag aus meiner armen, kleinen Leidensgefährtin geworden sein, und ob ich sie wohl jemals wiedersehe?… Ja, das war damals ein Glück…
– Und auch das war ein solches, daß die Hard eine so abscheuliche Megäre war, sonst wärst Du ja in Rindock bis zu der Zeit geblieben, wo Du in das Armenhaus von Donegal zurück mußtest. Da bist Du entflohen und in die Hände des Puppenschaustellers gefallen….
– O, das Ungeheuer! rief Findling.
– Dennoch betrachte ich es als Glück, daß er das war, denn sonst irrtest Du vielleicht noch heute, wenn auch nicht versteckt im Kasten, so doch im Dienste Thornpipe’s auf den Landstraßen umher. Von da kamst Du nach der
Ragged-School
in Galway…
– Ja, und da lernte ich Grip kennen… Grip, der so gut zu mir war, dem ich das Leben verdanke, das er mir rettete, während er das seinige aufs Spiel setzte….
– Und damit kamst Du zu der launenhaften Schauspielerin. Zugegeben, daß Du bei ihr ein weit schöneres Leben hattest, zu einem ehrenvollen Ziele hätte es Dich aber doch nicht geführt, und ich betrachte es als ein Glück, daß sie. nachdem sie ihr Vergnügen mit Dir gehabt hatte, Dich eines schönen Tages verließ….
– Darum zürne ich ihr nicht, Herr O’Brien. Sie hatte mich aufgenommen, war liebreich gegen mich… und seit jener Zeit… ist mir manches klar geworden. Ihrem Gedankengang nach wurde ich in Folge dessen von der Familie Mac Carthy in der Farm von Kerwan aufgenommen….
– Richtig, mein Sohn. Und auch da…
– O, Herr O’Brien, Sie werden mich schwerlich überzeugen, daß das Unglück dieser braven Leute auch ein Glück für mich gewesen wäre.
– Ja und nein, antwortete O’Brien.
– Nein, Herr O’Brien, nein! versicherte Findling energisch. Und wenn ich mir etwas erwerbe, wird mir immer das schmerzliche Gefühl bleiben, daß der Grund dieses Vermögens nach dem Untergange der Mac Carthy’s gelegt wurde. Wie gern hätt’ ich als Kind des Hauses mein Leben auf jener Farm verbracht! Da hätt’ ich mein Pathenkind Jenny aufwachsen sehen, und ein größeres Glück, als das meiner Adoptivfamilie zu betrachten, könnt’ ich mir gar nicht denken.
– Ich verstehe Dich, mein Kind. Es ist aber nicht minder richtig, daß grade dieser Verlauf der Dinge Dir einmal gestatten wird, Dich für das, was jene an Dir gethan, erkenntlich zu zeigen.
– Besser wär’ es doch, Herr O’Brien, wenn sie nicht nöthig hätten, von irgend jemand Hilfe anzunehmen.
– Ich erkenne gern diese Empfindungen an, die Dir alle Ehre machen. Doch setzen wir unsre Betrachtungen fort. Du kamst nach Trelingar-castle…
– O, diese widerwärtigen Leute, der Marquis, die Marquise und ihr Sohn Ashton!… Welche Kränkungen hab ich da erdulden müssen!… Das war die schlimmste Zeit meines Lebens.
– lind doch ein Glück, daß es so war. Bei guter Behandlung wärst Du vielleicht in Trelingar-castle geblieben….
– Nein, Herr O’Brien, im Dienste als Groom?… Nein, gewiß nicht!… Ich blieb nur da,
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