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Der Findling

Der Findling

Titel: Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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hergerichtet und der kleine Knabe sogleich hineingelegt.
    Weißes Bettzeug und eine gute Decke hatte er schon kennen gelernt in den wenigen Wochen, wo er im Royal-George-Hôtel im Zimmer der Miß Anna Walston wohnte. Die Zärtlichkeiten der Schauspielerin wogen aber die dieser achtbaren Familie nicht auf. Gewiß bemerkte er darin schon einigen Unterschied, vorzüglich als ihm die Großmutter beim Niederlegen einen herzlichen Kuß gab.
    »Ach, ich danke… ich danke!« murmelte er.
    Das war heute sein einziges Nachtgebet, und jedenfalls kannte er auch kein andres.
     

    Hat er mit dem Langohr fast Freundschaft geschlossen. (S. 109.)
     
    Man stand jetzt im Anfang der kalten Jahreszeit. Die Ernte war eben hereingebracht. Außerhalb des Pachthofes gab es wenig oder nichts zu thun. In diesen rauhen Gegenden findet die Einsaat des Korns, der Gerste und des Hafers nicht mit beginnendem Winter statt, weil dessen Länge und Strenge sie wieder vernichten könnte. Das ist Sache der Erfahrung. Martin Mac Carthy pflegte hier den März und sogar den April abzuwarten, ehe er mit der sorgfältig gewählten Saat begann. Dabei hatte er sich bisher gut gestanden. Furchen in einem Boden zu ziehen, der bis auf mehrere Fuß Tiefe friert, das wäre eine ebenso harte wie unnütze Arbeit gewesen; da hätte er die Samenkörner auch auf einen sandigen Strand oder auf die Felsen der Küste verstreuen können.
    Immerhin fehlte es im Pachthofe nicht an Arbeit. Galt es doch, die Vorräthe an Gerste und Hafer auszudreschen und an Geräthen auszubessern, was schadhaft geworden war. Der Findling konnte sich schon am folgenden Tage von der hier herrschenden Geschäftigkeit überzeugen und versuchte auch vom frühen Morgen an selbst, sich nützlich zu machen. So begab er sich nach den Viehställen. Jetzt nahe am Ende des sechsten Lebensjahres, mußte er doch, wenigstens im Stande sein, Gänse oder Kühe, ja auch Schafe zu hüten, wenn er einen guten Hund zur Seite hatte.
    Beim Frühstück und vor einer Tasse warmer Milch sitzend, bot er sich zu einer solchen Dienstleistung an.
    »Schön, mein Junge, antwortete Martin, Du willst arbeiten. Recht so. Man muß sich sein Brod verdienen….
    – Und ich werd’ es mir verdienen, Herr Martin, versicherte er.
    – Er ist ja noch gar so jung, bemerkte die Großmutter.
    – Das thut nichts, Madame….
    – Ei was, nenne mich Großmutter!
    – Nun gut… das thut nichts, Großmutter. Ich will so gern arbeiten….
    – Und wirst auch hübsch thätig sein, fiel Murdock ein, den ein so entschlossener Charakter bei einem bisher vom Unglück verfolgten Kinde in Erstaunen setzte.
    – Ich danke, Herr Murdock!
    – Ich werde Dir lehren, die Pferde zu besorgen, fuhr Murdock fort, und auch darauf zu reiten, wenn Du keine Angst hast….
    – O, so gern! jubelte der Knabe.
    – Und ich, ich lehre Dir die Kühe zu pflegen, ließ Martine sich vernehmen, und sie zu melken, wenn Du Dich nicht vor ihren Hörnern fürchtest.
    – Nein, gar nicht, Frau Martine!
    – Ich zeige Dir dann, fiel Sim ein, wie man auf dem Felde die Schafe hütet….
    – Ich freue mich schon darauf!
    – Kannst Du lesen? fragte der Farmer.
    – Ein wenig, und auch ein bischen große Buchstaben schreiben.
    – Und rechnen?
    – Ja… ich kann bis hundert zählen, Herr Martin.
    – Na, sagte Kitty lächelnd, ich werde Dir bis tausend zählen und auch kleine Buchstaben schreiben lehren.
    – Ich danke, liebe Frau Kitty!«
    Das Kind war thatsächlich zu allem bereit, was man ihm vorschlug. Der Kleine wollte sich offenbar dankbar beweisen für die Wohlthaten, die er bei den wackern Leuten schon genoß und noch zu genießen hoffte. Der kleine Diener der Farm zu werden, dahin strebte zunächst sein Ehrgeiz. Ein Zeugniß für den von Natur ernsten Sinn des Knaben lieferte aber die Antwort, die er dem Farmer gab, als dieser ihn lachend fragte:
    »Ei, Findling, Du wirst uns ja ein schätzbarer Helfer sein!… Die Pferde, die Kühe, die Schafe… ja, wenn Du alles besorgst, bleibt ja für uns gar nichts zu thun übrig. Wie viel verlangst Du denn Lohn?
    – Lohn?…
    – Nun ja; Du wirst doch nicht ganz für nichts und wieder nichts arbeiten wollen?
    – Nein, das nicht, Herr Martin.
    – Wie? rief Martine verwundert, außer der Wohnung, Nahrung und Bekleidung verlangt er auch noch Bezahlung….
    – Ja, Frau Martine!«
    Alle sahen den Knaben an; es schien ihnen, als ob er etwas ganz ungeheuerliches ausgesprochen hätte.
    Murdock, der ihn beobachtet hatte, bemerkte

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