Der Findling
ausgewählt; unglücklicher Weise war aber dieses Hôtel gerade jetzt »boycoitiert«. Dieses neue irländische Wort stammt von dem Namen eines Capitäns Boycott her, der zur Einbringung seiner Ernte polizeiliche Hilfe herbeigerufen hatte, da die Arbeiter sich weigerten, auf seinen Feldern thätig zu sein. Das betreffende Hôtel stand also in Acht und Bann, weil sein Besitzer die gerichtliche Austreibung einiger seiner Pächter veranlaßt hatte. Jetzt gab es hier deshalb weder Kellner noch Köche, und kein Lieferant hätte gewagt, etwas dahin zu verkaufen.
Der Marquis und die Marquise Piborne mußten sich wohl oder übel nach einem andern Hôtel begeben und ihre Abfahrt nach den Seen auf den nächsten Tag verschieben.
Nach Besorgung des Reisegepäcks seines Herrn erhielt der Groom Befehl, sich den ganzen Abend zu dessen Verfügung zu halten. So konnte dieser also das Vorzimmer nicht verlassen, während der junge Piborne inmitten der im Salon lesenden, plaudernden und spielenden Touristen den großen Herrn spielte.
Am folgenden Tage wartete ein Wagen vor dem Thore des Hôtels. Es war das ein großer, bequemer Landauer, zum Niederschlagen des ganzen Verdecks eingerichtet und hinten mit einem schwebenden Sitze für John und Marion. Der Groom hatte auf dem Bocke neben dem Kutscher Platz zu nehmen. In den Koffern führte man außer Kleidungsstücken und Wäsche auch einen tüchtigen Vorrath an Speisen und Getränken mit, um gegen alle Zwischenfälle, wie Verzögerungen der Fahrt und Unzulänglichkeit der Gasthöfe, gerüstet zu sein, denn die regelmäßigen Mahlzeiten der vornehmen Familie durften auf keinen Fall in Frage gestellt sein. Ihre Herrlichkeiten verzichteten indeß beim Aufbruch aus Killarney auf die Benützung des Wagens.
Mit dem praktischen Verstande, dessen sich Lord Piborne – sogar in den Sitzungen des Oberhauses – zu rühmen pflegte, hatte er die Vergnügungsreise in zwei Abtheilungen zerlegt. Der erste Theil umfaßte den Besuch der Seen selbst, der zu Wasser abgemacht werden, und der zweite den der Grafschaft bis zur Küste, der zu Lande erfolgen sollte. Der Landauer hatte die vornehmen Touristen also erst während des letzten Theils der Reise aufzunehmen. Trotzdem fuhr er an diesem Morgen ab, um jene bei Brandonscottage, am Ende der Seen von Killarney, deren Ostufer er umfuhr, zu erwarten. Da der Lord Piborne in seiner Weisheit die Fahrt über die Seen auf drei Tage bemessen hatte, durften Kammerdiener, Zofe und Groom ihrer Herrschaft natürlich so lange Zeit nicht fern bleiben. Der Findling wenigstens freute sich auch herzlich, über diese glänzenden Wasserspiegel fahren zu sollen.
Findling mußte bei ihm bleiben. (S. 252.)
Das Meer war das freilich nicht, das unendliche Meer, das sich von einem Continente zum andern ausspannt… nur einige beschränkte Seen, die keine Handelsstraße bilden und nur von Touristenbooten durchschnitten werden. Doch auch das genügte schon unserm Findling. Gestern hatte er zum zweitenmale in einem Bahnzuge gesessen, heute sollte er zum ersten Male in einem Boote fahren.
Die Passagiere wurden tüchtig geschüttelt. (S. 255.)
Während John, Marion und der Groom sich zu Fuß nach dem eine Meile entfernten Nordende der Seenreihe begaben, führte den Marquis, die Marquise und deren Sohn eine leichte Kalesche nach derselben Stelle. An der Ecke eines Platzes erblickte Findling im Vorübergehen auch die Kathedrale, zu deren Besuch er keine Zeit gefunden hatte. Auf den Straßen waren nur wenige Leute, und unter diesen mehr Spaziergänger als Geschäftsleute. In Killarney beschränkt sich der regere Verkehr auf die wenigen Monate, während der aus dem Vereinigten Königreiche jährlich gegen zehn-bis zwölftausend Touristen hier eintreffen. Dann scheint die eingeborne Bevölkerung nur noch aus Kutschern und Bootsleuten zu bestehen, die sich um die Kundschaft streiten, welche ihre Dienste gehörig bezahlen muß.
Am Landeplatz erwartete ihre Herrlichkeiten ein Boot mit fünf Mann, vieren für die Ruder und einem für das Steuer. Polstersitze und ein abnehmbares Zeltdach gegen den Sonnenbrand oder gegen anhaltenden Regen sicherten den Fahrgästen die nöthige Behaglichkeit. Lord und Lady Piborne nahmen auf den weichen Bänken Platz, der Graf Ashton neben ihnen, die Diener und der Groom setzten sich im Vordertheile des Fahrzeugs nieder. Nun wurde das Tau losgeworfen, die Ruder tauchten gleichmäßig ins Wasser und das Boot entfernte sich vom Ufer.
Die
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