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Der Findling

Der Findling

Titel: Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Seen von Killarney bedecken eine Fläche von einundzwanzig Quadratkilometern. Es sind ihrer drei: der Obere See, der aus der Umgebung die Flüsse Grenshorn und Doogary aufnimmt; der Muckroß-oder Toresee, in den sich nach einem Verlaufe längs des schmalen Lough-Range-Canals die Gewässer des Owengariffe ergießen, und der Untere See, der Lough-Leane, der durch die Lawne und einige kleinere Wasseradern am Meeresufer in die Bai von Dingle ausmündet. Die Strömung in den Seen verläuft von Süden nach Norden, so daß der Untere See also der nördlichste ist.
    Das Gesammtbild der drei Wasserbecken ähnelt etwa einem gewaltigen Schwimmvogel, einem Pelikan oder dergleichen, dessen Füße der Lough-Range, dessen Beine der Obere See und dessen Rumpf der Muckroß und der Lough-Leane darstellten.
    Da die Einschiffung am Nordufer des Lough-Leane stattgefunden hatte, ging die Fahrt stromaufwärts, erst durch den unteren, dann durch den Muckroß-See und hierauf mittelst des Lough-Range-Canals nach dem Oberen See. Nach dem Programm des Lord Piborne sollte jedem Seebecken ein Tag gewidmet werden.
    Im Süden und Westen dieser Gegend erheben sich die höchsten Bergzüge des Grünen Erin bis zu der prächtigen, in die Küste der Grafschaft Cork eingeschnittenen Bai von Bantry. Hier befindet sich auch der kleine Fischerhafen, in dem Hoche mit seinen vierzehntausend Mann aus Land stieg, als die Republik Frankreich diese 1796 ihren irischen Brüdern zu Hilfe geschickt hatte.
    Lough-Leane, der größte der drei Seen, mißt fünf Meilen in der Länge und drei Meilen in der größten Breite. Sein von der Bergkette des Carn-Tual beherrschtes Ostufer ist mit dunkelgrünen Waldmassen eingerahmt, die zum größten Theil zur Domäne von Muckroß gehören. Er enthält zahlreiche Inseln, wie Brown, Lamb, Heron, Mouse u. a., unter denen die Insel Roß die größte und Innishallen die schönste ist.
    Nach letzterer steuerte das Boot zuerst bei herrlichem Wetter und in diesen Gegenden recht seltenem klaren Sonnenscheine. Eine leichte Brise kräuselte die Oberfläche des Wassers. Findling berauschte sich an dem erquickenden Lufthauche, während er die reizenden Bilder, die an ihm vorüberzogen, bewunderte. Er hütete sich aber, seinen Empfindungen lauten Ausdruck zu geben, denn man hätte ihm doch Stillschweigen geboten.
    Lord und Lady Piborne wären gewiß auch gar zu verwundert gewesen, daß ein Wesen ohne Geburt und Erziehung für diese Naturschönheiten, die doch nur für das Vergnügen aristokratischer Augen geschaffen waren, hätte empfänglich sein können. Uebrigens unternahmen Ihre Herrlichkeiten diesen Ausflug, wie wir wissen, ja nur, weil es für Leute ihres Ranges zum guten Ton gehörte, ihn ausgeführt zu haben, während in ihrem Gedächtniß wahrscheinlich kein dauernder Eindruck davon zurückblieb. Dem Grafen Ashton war die ganze Sache völlig gleichgiltig. Er hatte einige Angelschnuren mitgenommen und wollte Fische fangen, während seine erhabenen Eltern pflichtgemäß die Landsitze und Ruinen der Umgebung aufsuchen würden.
    Das schmerzte vorzüglich Findling. Als Innishallen erreicht war, stiegen der Marquis und die Marquise aus, auf den an ihren Sohn gerichteten Vorschlag aber, sie zu begleiten, antwortete der liebenswürdige junge Mann nur:
    »Ich danke; ich will während Ihres Spaziergangs lieber angeln!
    – Und doch, erwiderte Lord Piborne, befinden sich hier die Reste einer berühmten Abtei, und mein Freund, Lord Kenmare, dem diese Insel gehört, würde es mir wohl übel deuten…
    – Wenn es der Graf aber vorzieht… warf die Marquise nachlässig ein.
    – Gewiß ziehe ich es vor, erklärte der Graf Ashton, und mein Groom wird mir die Angelhaken mit Köder versorgen.«
    Der Marquis und die Marquise brachen also, mit John und Marion als Gefolge, auf, und so kam es, daß Findling, der ja den Launen des jungen Piborne nachgeben mußte, zu seinem großen Leidwesen nichts von den archäologischen Merkwürdigkeiten von Innishallen kennen lernte. Der Marquis und die Marquise brachten davon übrigens auch keine dauernde Erinnerung mit heim. Wie konnten auf ihren indifferenten, blasierten Geist die Schönheiten dieses Klosters Eindruck machen, dessen Gründung bis ins 6. Jahrhundert zurückreicht, die Anordnung der vier dasselbe bildenden Gebäude, die romanische Kapelle mit ihren herrlichen Steinarbeiten am Bogengewölbe, das Ganze verloren in üppigem Grün, inmitten dichter Gruppen von Stechginster, Taxusbäumen, Eschen und

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