Der Findling
dabei in die Wagschale zu werfen vermochte. Was der Knabe gethan, war jetzt freilich vergessen, warum also hätte ihm dafür ein besondrer Dank gebührt?
Mai, Juni und Juli waren vorüber. Birk hatte, so gut es anging, sein Futter erhalten. Das Thier schien zu verstehen, daß es sich vorsichtig verhalten mußte, um in der Umgebung des Schloßparks unentdeckt zu bleiben. Findling hatte schon dreimal seine zwei Pfund Sterling eingeheimst, die in seiner Agende auf der Einnahmeseite gebucht standen, während die Ausgabenseite noch leer geblieben war.
Im Laufe dieser drei Monate hatten Lord und Lady Piborne nichts anderes zu thun, als Besuche zu empfangen und zu erwidern, und allerlei Höflichkeiten mit den Schloßbesitzern der Nachbarschaft auszutauschen. Hierbei drehte sich die Unterhaltung natürlich meist um die Lage der irischen Landlords. Da fielen recht grimmige Worte über die Ansprüche der Pächter und der Landliga, über den dreiundsiebzigjährigen Gladstone und über Parnell, den man an den höchsten Galgen wünschte. So verlief ein Theil des Sommers. Dann pflegten Lord und Lady Piborne nebst ihrem Sohne gewöhnlich eine mehrwöchige Reise, meist nach den schottischen Besitzthümern der Marquise, zu unternehmen. Dieses Jahr sollte sich der Ausflug nach einer andern Seite lenken, die von der großen Welt bevorzugt und von den Trelingarer Herrschaften noch nicht besucht worden war. Es handelte sich nämlich um die herrliche Gegend der Seen von Killarney, wohin am 3. August aufgebrochen werden sollte.
Findlings Hoffnung, infolge dessen eine Zeit lang dienstfrei zu werden, ging nicht in Erfüllung. Da Lady Piborne ihre Kammerfrau Marion und der Marquis seinen Leibdiener John mitnahm, mußte der Graf Ashton doch auch seinen Groom bei sich haben.
Dieser kam dadurch in nicht geringe Verlegenheit wegen Birks, da er nicht wußte, wer inzwischen für den Hund sorgen sollte.
Findling beschloß deshalb, Kat ins Vertrauen zu ziehen, die es gern übernahm, den Liebling des Knaben zu pflegen, ohne daß jemand davon etwas erführe.
»Beruhige Dich, mein Sohn, erklärte die gute Frau. Ich liebe Deinen Hund schon ebenso wie Dich, und er wird in Deiner Abwesenheit keine Noth leiden!«
Findling umarmte die freundliche Kat für diese Zusage, und nachdem er sie am Abend vor der Abreise noch mit Birk bekannt gemacht hatte, nahm er von dem treuen Thiere Abschied.
Viertes Capitel.
Die Seen von Killarney.
Die Abfahrt erfolgte, wie »höchsten Orts« bestimmt war, am Morgen des 3. August. Kammerdiener und Kammerfrau der Herrschaft bestiegen den Omnibus des Schlosses, der das Reisegepäck nach dem drei Meilen entfernten Bahnhof beförderte.
Findling begleitete sie, um speciell die Effecten seines jungen Herrn zu überwachen. Marion und John ließen auch das Kind »von niemand« sich dabei helfen, so gut es anging.
Der Groom machte seine Sache ganz vortrefflich, und das Gepäck des Grafen Ashton wurde unter seiner Aufsicht sorgsamst für den erwarteten Bahnzug zurechtgestellt.
Gegen Mittag traf – von der Straße längs des Flusses Allo – die Equipage vom Schlosse ein, der nun Lord und Lady Piborne entstiegen. Da mehrere Personen aus der Vorhalle des Bahnhofs traten, um die hohen Reisenden – natürlich aus respectvoller Entfernung – zu sehen, konnte der Graf Ashton die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, mit seinem Groom eine Vorstellung zu geben. Er rief ihn nur »
Boy
« (Junge), wie er dies gewöhnt war, und als dieser an den Wagen herantrat, bekam er einen ganzen Packen Reisedecken an die Brust geworfen, so daß er von dem Stoße fast hinfiel, was die Umstehenden weidlich zu belustigen schien.
Der Marquis und die Marquise begaben sich nach dem für sie reservierten Coupé eines Waggons erster Classe. John und Marion richteten sich in zweiter Wagenclasse ein, forderten aber den Groom nicht auf, bei ihnen Platz zu nehmen. Dieser mußte vielmehr ein andres leerstehendes Coupé besteigen, was er gerade für den Anfang der Reise nicht im mindesten bedauerte.
Der Zug setzte sich sofort in Bewegung. Es sah aus, als habe er nur auf die hochvornehme Schloßherrschaft von Trelingar gewartet.
Schon einmal war Findling, damals in den Armen der Miß Anna Walston, mit der Eisenbahn gefahren, doch dessen entsann er sich kaum, da er ja meist geschlafen hatte. Die aneinander gekuppelten, schnell dahinrollenden Wagen waren ihn ja bei Galway und bei Limerick bekannt geworden. Heute sollte nun sein heißer Wunsch in Erfüllung
Weitere Kostenlose Bücher