Der Flammenengel
Das U! Genau unten am Kreuz und dort, wo es einmal verschwunden gewesen war. Und jetzt leuchtete es strahlend hell auf. Ich begriff nichts, ich konnte es einfach nicht fassen, wie so etwas überhaupt möglich war. »Habt ihr das gesehen?« hauchte ich. »Oder habe ich mich getäuscht?«
»Nein, John«, sagte Bill. »Es ist dein Kreuz. Er hat es, und er zeigt es uns nicht umsonst…«
Nicht umsonst? Was wollte der Engel damit erreichen? Er, der unter dem Einfluss des Höllenherrschers Luzifer stand, konnte doch nicht ausgerechnet mit der Waffe, die das Böse besiegen sollte, gegen seinen Herrn und Meister angehen? Das begriff ich einfach nicht, es war mir zu hoch, und ich konnte nur die Schultern heben.
Auch Suko und Bill schwiegen. Nur Sheila redete von uns. Sie stand wie festgeleimt und bewegte die Lippen. Es waren leise Worte, die aus ihrem Mund drangen. Wir drei Männer mussten schon genau hinhören, um sie überhaupt verstehen zu können.
»Er hat mit mir Kontakt aufgenommen. Uriel will nicht mehr unter Satans Bann stehen. Er hat sich das Kreuz geholt, um dagegen ankämpfen zu können, aber er selbst ist nicht in der Lage, es zu aktivieren. Er möchte es, nur sind ihm magische Barrieren gesetzt, da die Macht des Bösen zu stark ist. Aus diesem Grunde sucht er Hilfe. Noch kann er sich halten, noch setzt er die Flammen nicht gegen uns ein, aber die Gedankenwelt Luzifers wird immer stärker. Sie dringt in ihn ein, sie will ihn ganz für sich haben, sie will ihn vernichten, denn sie will auch uns, der wir dem Guten frönen, zerstören.« Sheilas Stimme hatte sich gesteigert. Dann redete sie weiter. »Er braucht unsere Hilfe!« Es war wie ein Schrei, was da über ihre Lippen drang.
Und ich schrie zurück. »Was sollen wir tun?«
»Die Formel, John! Mein Gott, du musst die Formel sagen. Schnell… schnell!« Und ich tat es! »Terra pestum teneto - Salus hic maneto!«
Selten in meinem Leben hatte ich die Worte so laut und so schnell gerufen. Jetzt sollten sie zu unserem und zum Lebensretter des Erzengels Uriel werden.
Er hatte sie vernommen. Durch seine gewaltige, immens große Gestalt ging ein heftiger Ruck. Für einen Moment hatte ich das Gefühl, als würde der Engel mitsamt der Flammenwand auf uns niederstürzen, denn sie begann sich plötzlich zu bewegen und laut zu fauchen. Das Feuer flackerte nur einmal hoch, als wäre ein Sturmwind in die lodernde Glut gefahren. Wir gingen noch weiter zurück, rissen unsere angewinkelten Arme vor die Augen, um uns vor der Blendung zu schützen, und ich schielte nur an der Seite vorbei. Nicht allein der Engel bewegte sich. Auch sein Schwert. Es fuhr nach unten. Die gewaltige Flammensäule, die die Klinge umspielte und umzuckte, fand ihr Ziel. Nicht wir waren es, sondern Luzifer. Sie jagte mit aller Macht in das andere Feuer hinein, und sie wurde dabei ungeheuer stark, denn meine gesprochene Formel hatte dafür Sorge getragen. Das Schwert verwandelte sich. Hell und gleißend strahlte es auf, wurde zu einer Lanze des Lichts, und dieser helle Strahl vereinigte sich mit der Aura des Kreuzes. Beide zusammen hieben hinein in die senkrechte Flammensäule mit dem bösen Gesicht Luzifers.
Was danach geschah, bekamen wir nicht mehr mit, denn um uns herum tobten sich Magien aus, die wir nicht begreifen konnten. Etwas fuhr so hastig über mich hinweg, dass ich das Gefühl hatte, von 1000 Seelen gestreift zu werden. Unwillkürlich zog ich den Kopf ein. Als ich ihn anhob, hörte ich die Stimme. »John Sinclair, Sohn des Lichts, das gehört dir!«
Mein Arm sank nach unten. Ich schaute auf Uriel, der vor mir schwebte und den Arm ausgestreckt hielt. Ich sah das hoffnungsfrohe Lächeln auf seinem Gesicht, lächelte ebenfalls, ging wieder einen Schritt vor, um das aus seiner Hand fallende Kreuz auffangen zu können. Ich schaute darauf, sah es bis auf die von Lilith genommenen Zeichen normal, und blickte wieder in die Höhe.
Uriel war verschwunden. Nur aus einer nicht messbaren Ferne erklang noch ein einziges Wort an unsere Ohren. »Danke, Freunde…«
Danach fielen wir uns in die Arme.
***
Sir James wusste, dass es nur mehr Minuten dauern würde, bis die beiden Tanks von den Flammen erfasst wurden.
Die Menschen waren in heller Aufregung. Wenn diese Behälter explodierten, würde der Hafen in ein Chaos gestürzt werden. Sie explodierten nicht, denn das Unwahrscheinliche geschah. Von einen Augenblick zum anderen sanken die Flammen in sich zusammen. Sie verschwanden, als wären sie nie
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