Der Fledermausmann
dusche gerade.«
McCormack räusperte sich.
»Was ist mit der Guillotine? Es gibt einfachere Möglichkeiten, jemanden umzubringen . . .«
»Tja, Sir, ich glaube fast, das mit der Guillotine war ein spontaner Einfall. Er konnte wohl kaum wissen, daß sie in der Pause in den Requisitenraum geschoben worden war.«
»Ein wirklich sehr, sehr kranker Mann«, sagte Lebie.
»Was ist mit den Türen? Die waren doch alle geschlossen. Wie sind die in den Requisitenraum gekommen?«
»Ich habe mit dem Wachmann gesprochen«, sagte Harry. »Als Chef des Ensembles hatte Otto einen Generalschlüssel. Der ist verschwunden.«
»Und was ist mit diesem . . . Teufelskostüm?«
»Das lag zusammen mit dem losen Kopf und der Perücke im Kopfkasten der Guillotine. Der Mörder muß es nach der Tat als Verkleidung angezogen haben. Auch das war ziemlich gerissen und sicher nicht vorher geplant.«
McCormack stützte den Kopf schwer auf die Hände. »Was sagen Sie, Yong?«
Yong hatte, während die anderen redeten, seinen PC bearbeitet.
»Lassen Sie uns den schwarzgekleideten Teufel mal für einen Augenblick vergessen«, sagte er, »alles spricht dafür, daß der Mörder ein Mitglied des Ensembles sein muß.«
Wadkins grunzte laut.
»Lassen Sie mich ausreden, Sir«, sagte Yong, »wir suchen nach jemandem, der die Vorstellung kennt, der wußte, daß Otto nach der Katzennummer keinen Auftritt mehr hatte und deshalb auf der Bühne bis zum Finale etwa zwanzig Minuten später nicht vermißt werden würde. Jemand aus dem Ensemble hätte sich auch nicht hereinschleichen müssen, ich bezweifle übrigens, daß es jemand anderem möglich gewesen sein soll, unbemerkt hereinzukommen. Vermutlich hätte wenigstens einer von euch bemerkt, wenn jemand den Seiteneingang neben der Bühne benutzt hätte . . .« Die anderen konnten nicht anders, als synchron mit dem Kopf zu nicken.
»Außerdem habe ich herausgefunden, daß auch drei andere aus dem Ensemble mit von der Partie beim Australian Travelling Showpark gewesen sind. Das heißt, daß es dort heute noch drei andere Personen gegeben hat, die zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort waren. Vielleicht war Otto ganz einfach ein unschuldiger Mann, der zu viel wußte? Laßt uns da anfangen zu suchen, wo wir auch eine Chance haben, etwas zu finden. Ich schlage vor, daß wir mit dem Ensemble beginnen, statt einem Phantom der Oper nachzujagen, das längst über alle Berge ist.«
Wadkins schüttelte den Kopf.
»Wir können nicht einfach die Fakten vergessen – eine unbekannte Person hat in einer Verkleidung, die neben der Mordwaffe aufbewahrt wurde, den Tatort verlassen. Es ist kaum möglich, daß diese Person nichts mit dem Mord zu tun hat.«
Harry stimmte ihm zu:
»Ich glaube, wir können die anderen im Ensemble vergessen. Erstens gibt es keinen Beweis, daß Otto nicht der gesuchte Vergewaltiger und Mörder all dieser Mädchen gewesen sein kann. Es kann viele Gründe dafür geben, warumjemand einem Serienmörder den Garaus machen möchte. Der Betroffene kann, zum Beispiel, auf irgendeine Weise da mit drin stecken. Vielleicht wußte er, daß Otto im Begriff war, von der Polizei gefaßt zu werden, und wollte ganz einfach nicht riskieren, von Otto durch ein Geständnis mit hineingezogen zu werden. Zweitens ist es nicht sicher, daß der Mörder wirklich wußte, wieviel Zeit er hatte – er kann Otto gezwungen haben, ihm zu sagen, wann er wieder auf die Bühne mußte. Und drittens: Hört doch mal auf eure Gefühle!«
Er schloß die Augen.
»Ihr fühlt das doch, nicht wahr? Der Fledermausmann ist unser Mann. Narandarn I«
»Hä?« fragte Wadkins.
McCormack amüsierte sich. »Unser norwegischer Freund scheint in die Bresche gesprungen zu sein, die unser lieber Detektiv Kensington aufgerissen hat«, sagte er.
»Narandarn«, wiederholte Yong. »Das Todessymbol der Aborigines, der Fledermausmann.«
»Es gibt noch eine andere Sache, die mich etwas beunruhigt«, fuhr McCormack fort. »Der Kerl kann unbemerkt während der Vorstellung durch die Hintertür hinausschlüpfen und ist nur zehn Schritte von einer der belebtesten Straßen von Sydney entfernt, wo er garantiert in nur wenigen Sekunden in der Menge verschwunden ist. Trotzdem zieht er sich ein Kostüm an, mit dem er ganz sicher die Aufmerksamkeit auf sich lenkt, das ihm aber auch garantiert, daß wir keine Beschreibung von ihm haben. Man hat fast das Gefühl, er wußte, daß die Hintertür von einer Streife beobachtet wurde. Und wenn das so ist, wie
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