Der Fledermausmann
konnte er das wissen?«
Es wurde still.
»Wie geht es übrigens Kensington im Krankenhaus?« McCormack kramte eine Pastille aus einer Schachtel und begann, darauf herumzukauen.
Jetzt war es vollkommen still. Nur der Ventilator bewegte sich tonlos.
»Er ist nicht mehr dort«, sagte Lebie schließlich.
»Teufel noch mal, das war wirklich eine verdammt kurze Zeit der Genesung!« sagte McCormack. »Ja, ja, okay, wir brauchen so schnell wie möglich alle verfügbaren Mannschaften, denn eins sage ich euch: Zerstückelte Clowns machen größere Schlagzeilen als vergewaltigte Mädchen. Und was ich früher schon gesagt habe, Jungs, wer von euch glaubt, wir bräuchten uns um die Zeitungen nicht zu kümmern, irrt sich! Die haben in diesem Land schon mehr als einen Polizeichef angeschwärzt und gefeuert! Also, wenn ihr mich nicht ganz heftig im Nacken haben wollt, wißt ihr, was ihr zu tun habt! Aber geht jetzt erst mal nach Hause und schlaft ein bißchen! Ja, Harry?«
»Nichts, Sir!«
»Okay. Gute Nacht!«
Irgend etwas hatte sich verändert. Die Gardinen vor dem Hotelfenster waren nicht zugezogen, und in dem Schein der Neonlampen von King's Cross zog sich Birgitta vor ihm aus.
Er lag im Bett, während sie mitten im Zimmer stand und Kleidungsstück für Kleidungsstück fallen ließ, wobei sie ihn mit ernstem, fast wehmütigem Blick anschaute. Birgitta war langbeinig, schlank und leuchtete in dem blassen Licht fast weiß wie Schnee. Durch das halbgeöffnete Fenster hörten sie das Rauschen des intensiven Nachtlebens – Autos, Motorräder, Spielautomaten mit Leierkastenmusik und dumpf dröhnende Discomusik. Und als Basis des Ganzen – wie menschliche Grillen – die Geräusche lauter Diskussionen, entrüsteter Ausrufe und geilen Gelächters.
Birgitta knöpfte ihre Bluse auf, nicht bewußt zögerlich oder in der Absicht zu verführen, sondern langsam. Sie zog sich einfach nur aus.
Für mich, dachte Harry.
Er hatte sie früher schon nackt gesehen, aber an diesem Abend war es anders. Sie war so hübsch, daß er spürte, wie esihm den Hals zuschnürte. Früher hatte er ihre Scheu nicht verstanden, warum sie das T-Shirt und den Slip immer erst auszog, wenn sie unter der Bettdecke lag, und warum sie ein Handtuch um sich wickelte, wenn sie vom Bett ins Bad ging. Doch mit der Zeit hatte er es verstanden: Es hatte nichts damit zu tun, daß sie schüchtern war oder sich wegen ihres Körpers schämte, sondern damit, daß sie sich nicht bloßstellen wollte. Es war ihr wichtig, erst einmal Zeit und Gefühle aufzubauen, ein kleines Nest aus Vertrautheit, das einzig ihm das Recht geben würde. Deshalb war es in dieser Nacht anders. Die Art, wie sie sich auszog, hatte etwas Rituelles an sich, als wolle sie mit ihrer Nacktheit zeigen, wie verletzlich sie war. Daß sie es wagte, weil sie ihm vertraute.
Harry spürte, wie sein Herz schlug, teils weil er stolz und glücklich war, daß diese starke, schöne Frau ihm so viel Vertrauen entgegenbrachte, teils weil er Angst hatte, sich dieses Vertrauens als nicht würdig zu erweisen. Aber am meisten, weil er spürte, daß ihm alles, was er fühlte und dachte, ganz deutlich in dem roten, dann blauen, dann grünen Licht des Reklameschildes anzusehen war. Daß sie, indem sie sich auszog, auch ihn entkleidete.
Als sie nackt war, blieb sie stehen, und all die weiße Haut schien das Zimmer zu erhellen.
»Komm«, sagte er mit einer Stimme, die rauher war als beabsichtigt, und schlug die Decke zur Seite, doch sie blieb stehen.
»Sieh her«, wisperte sie, »sieh mich an.«
12 Eine feiste Matrone
und ein Gerichtsmediziner
E s war acht Uhr morgens, und Dschingis Khan schlief, als die Krankenschwester nach langwierigen Verhandlungen einwilligte, Harry ins Krankenzimmer zu lassen. Er schlug die Augen auf, als Harry einen Stuhl an den Bettrand schob.
»Guten Morgen«, sagte Harry. »Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen. Wissen Sie noch, wer ich bin? Der auf dem Tisch mit der Atemnot.«
Dschingis Khan stöhnte. Er hatte eine große weiße Bandage am Kopf und sah deutlich weniger gefährlich aus als zu dem Zeitpunkt, als er sich im Cricket über Harry gebeugt hatte.
Harry zog einen Cricketball aus seiner Tasche.
»Ich habe gerade mit Ihrem Anwalt gesprochen. Er sagte, daß Sie meinen Kollegen nicht verklagen werden.«
Harry warf den Ball von der rechten in die linke Hand.
»In Anbetracht der Tatsache, daß Sie gerade dabei waren, mir das Leben zu nehmen, wäre ich natürlich sehr
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