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Der Fledermausmann

Der Fledermausmann

Titel: Der Fledermausmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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unangenehm geworden, wenn Sie den, der mich gerettet hat, verklagt hätten. Aber dieser Advokat von Ihnen scheint wirklich zu glauben, Sie hätten etwas in der Hand. Zum einen behauptet er, daß Sie mich nicht angegriffen, sondern lediglich von einem Freund getrennt hätten, dem ich im Begriff gewesen sei, ernsthafte Schäden zuzufügen, zum anderen, daß Sie es nur einem Zufall zu verdanken hätten, daß Sie mit gebrochenem Schädel davongekommen seien, statt von diesem Cricketball getötet worden zu sein.«
    Er warf den Ball in die Luft und fing ihn unmittelbar vor dem Gesicht des blassen Kriegsfürsten wieder auf.
    »Und wissen Sie, was? Ich bin einverstanden. Ein fast ball aus vier Metern Entfernung direkt auf die Stirn – es war wirklich blankes Glück, daß Sie überlebt haben. Ihr Anwalt riefmich heute im Büro an und wollte den genauen Handlungsverlauf wissen. Er glaubt, daß es eine Möglichkeit für einen Antrag auf Schmerzensgeld gibt, auf jeden Fall, wenn Sie bleibende Schäden zurückbehalten. Diese Art Anwälte gehören ja bekanntermaßen zur Familie der Geier, sie berechnen für sich selbst ein Drittel der Erstattungssumme, aber das hat er Ihnen ja wohl vorher erzählt? Ich fragte ihn, warum es ihm nicht gelungen sei, Sie zu einer Klage zu bewegen, und er meinte, das sei nur eine Frage der Zeit. Tja, und nun frage ich mich – ist das nur eine Frage der Zeit, Dschingis?«
    Dschingis schüttelte vorsichtig den Kopf.
    »No. Please go now«, gurgelte er leise.
    »Aber warum denn nicht? Was haben Sie zu verlieren? Für den Fall, daß Sie zum Krüppel werden, können Sie doch viel Geld machen. Denken Sie daran, daß es keine einfache Privatperson ist, die Sie verklagen, sondern der Staat selbst. Ich habe festgestellt, daß es Ihnen sogar gelungen ist, Ihre Akte einigermaßen sauber zu halten. Wer weiß, vielleicht hätte eine Jury Mitleid mit Ihnen und würde Sie zum Millionär machen. Und Sie wollen es wirklich nicht einmal versuchen?«
    Dschingis antwortete nicht, er schaute Harry nur mit schiefen, traurigen Augen an.
    »Es fängt mir langsam an, auf den Geist zu gehen, die ganze Zeit im Krankenhaus zu sitzen, Dschingis, ich will mich also kurz fassen. Ihr Angriff auf mich resultierte in zwei gebrochenen Rippen und einer punktierten Lunge. Da ich weder eine Uniform trug noch meine Marke zeigte oder einen Befehl ausführte und Australien zudem ein gutes Stück von meinem Hoheitsgebiet entfernt liegt, sind die Rechtsbehörden zu dem Schluß gekommen, daß ich rein juristisch als Privatperson aufgetreten bin und nicht dienstlich. Das heißt, daß ich selbst entscheiden kann, ob ich Sie wegen Ihrer Gewalttätigkeit verklagen will oder nicht. Was uns zu Ihrer fast sauberen Akte zurückbringt. Sie sind nämlich wegen Körperverletzung zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt, nicht wahr? Wennwir noch einmal sechs Monate hinzufügen, macht das ein Jahr. Ein Jahr . . . oder Sie erzählen mir . . .« – er lehnte sich zu dem Ohr hinunter, das wie ein roter Pilz aus Dschingis Khans Kopfbandage herausragte, und schrie – » . . .WAS ZUM TEUFEL HIER VORGEHT!«
    Harry setzte sich wieder auf seinen Stuhl.
    »Nun, was meinen Sie?«
     
    McCormack hatte Harry den Rücken zugedreht. Er schaute aus dem Fenster, hielt die Arme locker vor der Brust verschränkt, wobei eine Hand am Kinn lag. Der dichte Nebel draußen hatte alle Farben ausgewischt und die Bewegungen eingefroren, so daß sich die Aussicht auf ein nicht fokussiertes Schwarzweiß-Bild der Stadt beschränkte. Die Stille wurde durch ein leises, klopfendes Geräusch abgelöst. Nach einer Weile begriff Harry, daß McCormack mit den Fingerspitzen auf die Zähne seines Oberkiefers trommelte.
    »Also, Kensington kannte Otto Rechtnagel. Und Sie haben das die ganze Zeit gewußt?«
    Harry zuckte mit den Schultern.
    »Ich weiß, ich hätte das vorher sagen sollen, Sir. Aber ich habe gefunden, daß es mich nichts . . .«
    ». . . angeht, wen Andrew Kensington kennt und wen nicht? Okay, aber jetzt ist Kensington schließlich aus dem Krankenhaus abgehauen, niemand weiß, wo er ist, und Sie beginnen, ein ungutes Gefühl zu bekommen?«
    Harry nickte hinter seinem Rücken zustimmend.
    McCormack sah ihn über das Spiegelbild der Scheibe an. Dann machte er eine halbe Pirouette, so daß er direkt vor Harry stand.
    »Sie wirken ein wenig . . .« – er vollendete seine Pirouette und drehte ihm wieder den Rücken zu – »unruhig, Holy. Gibt es etwas, das Sie quält? Haben Sie

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