Der fliegende Brasilianer - Roman
unangenehme Figur im Pantheon der Unangenehmen der Nation.
Den Mann der Tat stellt die Handlung vielleicht wieder her. Auf der Leinwand eines dunklen Raumes und in Dolby Stereo.
Den Kavalier der Belle Époque holt vielleicht die schwungvolle Erzählung zurück. Mit der respektlosen Spekulation der Fiktion.
Mit dem Verbrennen seiner Papiere hat er uns jede Freiheit gestattet.
Lieber seine Taten aufschlüsseln als in aschgraue Interpretationen versinken.
Cinematograph II Der Roman beginnt.
Der Held greift nach einer Krawatte und geht ins Badezimmer. Im Morgenmantel.
São Paulo kopflos Er stirbt im Badezimmer eines Luxushotels am Strand von Santos. An einem schönen Vormittag, dem 23. Juli 1932. Die Paulistaner befinden sich seit dem 9. im Aufstand gegen das Regime von Getúlio Vargas. Streitereien der Elite, wie man weiß. Am selben Tag tritt atemlos ein Mann in das Arbeitszimmer des Revolutionsführers. Er ist dick, Dichter und von der Kripo. Ein anderer Mann, dieser dick, schielend und General, mit dem Äußeren eines Raufbolds aus einer deutschen Bierkneipe, empfängt ihn unwirsch. Der Kripo-Dichter heißt Emílio de Menezes. Der wie ein rüder Säufer Wirkende ist Bertoldo Klinger, der später versuchen wird, noch etwas zu reformieren, was ihn, neben der Demokratie, ebenfalls gründlich ärgert: die Orthografie der portugiesischen Sprache. Der dicke Provinzliebhaber der Musen sieht über die Schroffheit des Generals hinweg und berichtet ohne Umschweife von der Tragödie. Alberto Santos Dumont, der Stolz des Vaterlandes, habe soeben Selbstmord begangen. Der General vernimmt mit Abscheu, dass der besessene Erfinder sich ausgerechnet mitten in der Revolution umgebracht hat und obendrein noch in einem Hotelbadezimmer. Höchst verdächtig, sich in einem Badezimmer umzubringen. Er weiß, dass der Selbstmörder einen leichten Dachschaden hatte, sich einmischte, wo man ihn nicht nach seiner Meinung gefragt hatte, und sich in letzter Zeit nicht gerade wie der Ruhm der Nation aufführte. Deshalb ordnet er an, ehe es peinlich und die Ehre des Vaterlandes befleckt werden könnte, die polizeilichen Ermittlungen einzustellen und vom Autopsie-Tisch einen Leichnam mit anständigem, unverdächtigem Tod zu entlassen, so wie alle großen Patrioten zu sterben haben. Wäre Alberto Santos Dumont nicht übergeschnappt gewesen, hätte er selbstverständlich so eine unbedachte Tat nie begangen. Männer wie er sterben im Bett, zur Bestürzung der Gerechten und als Vorbild für die Jugend. Abschließend ordnet er dann an, dass in den Mitteilungen an die Presse ein weiteres unpassendes biografisches Detail unerwähnt bleiben solle. Der Mann ist als Junggeselle gestorben. Unverheiratet zu sterben, ohne eine Witwe und zahlreiche Nachkommenschaft zu hinterlassen! Wie sollen die Lehrer später den Ledigenstand des Helden erklären, ohne bei den pubertierenden Schülern Verdacht zu wecken? Dann lieber ein Detail von so geringer Bedeutung weglassen.
Und so geschah es.
Lied aus dem Exil Er gehört kaum in dieses Land und geht das Wagnis ein, sich wie ein Exilierter zu fühlen. 18 vollendete Lebensjahre und die Volljährigkeitserklärung im Gepäck. Als Einkommen seinen Erbanteil am Drei-Millionen-Dollar-Vermögen seines Vaters, sorgfältig in Aktien und anderen Investitionen angelegt.
Frühjahr 1893.
Alberto kommt im selben Jahr in Paris an, in dem Getúlio Vargas, schon damals pausbackig und durchtrieben, zehn Jahre alt wird. Er ahnt nicht, dass sein Tod so viele Ungelegenheiten verursachen und die Verbreitung so vieler Geheimnisse auslösen wird. Es dauert 24 Jahre, bis sein Totenschein ausgestellt wird, und trotzdem steht nichts vom Selbstmord in dem Dokument. Vargas’ Totenschein, in Rio ausgestellt, sagt, wie der Caudillo zu Tode kam: Selbstmord.
Mein Werdegang Ehe Schandmäuler irgendwelche Mutmaßungen anstellen, sei von vornherein festgehalten, dass Petitsantôs’ Vermögen ausschließlich in Brasilien angelegt war.
Und er hat alles, was er gemacht hat, mit diesem Vermögen gemacht.
Die Statur von Beau Brummel Er quartiert sich bei seinen Verwandten Dumont ein.
Sagen wir, die Verwandtschaft hätte im 16. Arrondissement gewohnt. Und als ordentlicher junger Mann, der er ist, nimmt Alberto dort Logis. Aber die Verwandten haben den Hausgast vermutlich nicht in bester Erinnerung behalten. Seine Zurückhaltung wird mit Stolz verwechselt, seine Wortkargheit mit Schroffheit. Und nicht genug damit, dass er seine
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