Der Fluch der grünen Steine
besonders?«
»Im Magen. Ich kann nichts essen. Ich breche alles wieder aus. Wie Galle ist es dann …«
Dr. Mohr nickte und deckte Bandilla wieder zu. Der Kranke zuckte zusammen. Das Zudecken sagte ihm genug. Es ist sinnlos. »Wie lange noch?« fragte er müde.
»Ich könnte Sie jetzt untersuchen, Bandilla. Abtasten, palpieren, mit dem Stethoskop abhören, Puls und Blutdruck messen, an Ihnen herumschnuppern – mein alter Lehrer sagte einmal: Krebs kann man hören und riechen – aber was soll das? Ich brauche ein Röntgengerät. Ich bin Chirurg und muß die Krankheit sehen!«
»Sehen Sie mich an.«
»Kein Anblick zum Jubeln, bestimmt nicht. Aber das Röntgengerät kommt bald.«
»Was soll ich damit?! Ich will ja nur wissen, wie lange es noch dauert, bis ich sterbe.«
»Warum wollen Sie das wissen? Sie haben gebeichtet, der Weg der Seele ist frei. Die Einbahnstraße zu Gott. Ob heute, in einer Woche, in einem Monat … spielt das eine Rolle?«
»Ich will nicht länger leiden, Doctor.« Bandilla tastete nach Dr. Mohrs Hand. »Geben Sie mir eine gute Spritze … bitte …«
»Sie wollen von mir umgebracht werden? Bandilla, was bilden Sie sich ein?! Ich gebe Ihnen eine Injektion, aber ich haue Ihnen zunächst Glukose ins Blut und dann lege ich einen Tropf an. Einen Nährtropf! Eine Spritze und für immer einschlafen!« Dr. Mohr blickte sich nach Novarra um. »Ist das der Grund, warum ich in die ›Burg‹ durfte? Dann war das eine Fehlinvestition, Novarra. Ich kapituliere nicht so schnell. Ich kämpfe! Auch hier! Bevor ich den Krebs nicht gesehen habe, glaube ich nicht an ihn. Bandilla, ich halte Sie über Wasser, bis die Hospitaleinrichtung ankommt! Röntgengerät und Labor. Und dann erst sage ich Ihnen, wann Sie sterben werden! Solange bitte ich mir aus, daß Sie an das Leben glauben!«
»Da haben wir es!« sagte im Hintergrund Novarra laut. »Ich habe es geahnt! Dieser Kerl ist der sturste Bursche, den ich bisher kennengelernt habe.«
Dr. Mohr winkte ab und öffnete die Riegel seines Metallkoffers. »Sie mögen mich jetzt für völlig verrückt halten, Novarra«, sagte er, »aber ich glaube nicht an Ihren Krebs! Ich rieche ihn nicht! Simpson, die Infusionssachen! Morgen, Bandilla, werden Sie mir bestätigen, daß Sie sich merkwürdig satt fühlen! Natürlich kann ich Ihnen kein Steak durch die Venen drücken, aber was Sie bekommen, tut Ihnen gut.«
Er beugte sich über Bandilla, suchte in der linken Armbeuge unter der ledernen Haut nach der Vene und fixierte sie mit einem Daumendruck.
»Überlegen Sie, großer Revolutionär«, sagte er dabei, »ob Sie nicht zu früh gebeichtet haben.«
Nach zehn Minuten schlief José Bandilla ein. Er schnarchte laut, mit offenem Mund, und sah wie eine einbalsamierte Leiche aus.
Dr. Mohr maß noch einmal den Blutdruck, hob wortlos die Schultern und winkte. Sie verließen das Felsenzimmer und schlossen die Tür hinter sich. Auf dem Flur war es mit Novarras Beherrschung vorbei.
»Sie sind mir in den Rücken gefallen, Doctor!« schimpfte er. Mit gespreizten Fingern kämmte er seinen Bart. »Wie können Sie Bandilla noch Hoffnung machen? Und wenn es auch nur ein Schimmer von Hoffnung ist … jetzt klammert er sich daran!«
»Ärzte sind merkwürdige Wesen, Dr. Novarra. Oder sagen wir es so: Ich bin ein merkwürdiges Wesen. Bandilla ist zwar in einem desolaten Zustand, aber den Krebsverdacht teile ich nicht.«
»Er ist am Ende. Das sieht doch jeder.«
»Sie sehen das so. Ich will Ihnen einmal etwas erklären: Die Leber ist nicht höckrig. Keine Milzschmerzen. Kein Blut im Kot. Auch im Sputum keine Blutspuren, das hätte Bandilla mir gesagt. Kein fauliges Aufstoßen oder Fäulnisgeschmack im Mund. Als ich zu ihm von Steaks sprach, keine Abwehrreaktion, kein Ekelgefühl, kein Protest. Am Magen nichts tastbar, keine Verhärtung, keine Schwellung …«
»Aber er ist ja nur noch ein Gerippe!« rief Novarra. »Pater, was sagen Sie dazu?«
»Ich bin für den Himmel zuständig.« Cristobal hob bedauernd beide Hände. »Für den Körper muß Dr. Morero geradestehen.«
»Hätte ich das vorher gewußt, wären Sie nicht in die ›Burg‹ gekommen!« sagte Novarra voll innerer Abwehr.
»Er soll also sterben?«
»Uns allen wäre wohler dabei. Es wäre eine natürliche Lösung vieler Probleme. Bandilla als Revolutionär kannte keinerlei Skrupel! Nachdem ich ihn umgedreht habe, wie man so schön sagt, und ihn für unsere Ziele gewinnen konnte, entglitt er meiner Kontrolle. Im
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