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Der Fluch der Halblinge

Der Fluch der Halblinge

Titel: Der Fluch der Halblinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Prisca Burrows
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noch nie gewesen war.
    Fionn wischte sich über die nassen Wangen und schämte sich. Er entschied sich für eine Gasse, in der zwischen den Häusern Wäsche gespannt war, und lief dort entlang weiter.
    Noch verfügte er über genug Atem, noch stampften seine Füße kräftig dahin. Fionn wunderte sich selbst über seine Ausdauer, da er bisher nie so einen Gewaltlauf unternommen hatte, aber anscheinend lag es seinem Volk im Blut. Noch etwas, das er bisher nicht gewusst hatte.
    Habe ich denn überhaupt jemals etwas gewusst, außer den Benimmregeln von Onkelchen Fasin?
    Er sah Tiw geradezu vor sich, wie er jetzt den Kopf wiegen und boshaft grinsen würde, und dann würde er mit seinem Pfeifenstiel auf ihn deuten: Fionn, der Narr, der Zwanzigzweier, die ahnungslose Unschuld.
    Gerade noch im letzten Moment stoppte Fionn, zog sich hastig hinter die Mauer zurück und verharrte unterdrückt keuchend. Schweiß bedeckte seine Stirn, und er mühte sich ab, den rasenden Herzschlag zu beruhigen. Vorsichtig spähte er um die Ecke.
    Hier ging es nicht weiter. Das Gassengewirr, durch das er gerade gestürmt war, endete an dieser Stelle und mündete in eine der breiten Hauptstraßen, die sternförmig zum Zentrum führten, wo sich auf dem Hügel über allen Dächern der prächtige Palast erhob.
    Rechts das Schloss, links ein weiteres Viertel; den Gerüchen und dem Lärm nach zu urteilen voller Gasthäuser, Schänken und vor allem Märkte. Der pulsierende Herzschlag jeder Stadt.
    Das war es! Wenn er überhaupt irgendwo ein Versteck finden konnte, dann in dieser Richtung!
    Fionn sicherte nach allen Seiten, lauschte auf das Stimmengewirr und wagte es dann, sich an den Hausmauern entlang nach links zu bewegen. Jeden Moment erwartete er, aufgegriffen zu werden, denn die Straße belebte sich zusehends. Aber er hatte Glück – bis hierher schienen sie noch nicht vorgedrungen zu sein. Alles war wie an einem normalen Tag. Maultierkarren, Pferdefuhrwerke, Reiter und Fußgänger; die meisten waren Menschen und Elben, aber auch ein paar Zwerge befanden sich darunter und einige wenige Mitglieder der anderen Kleinen Völker, zumeist in Kapuzenmäntel gehüllt, die sich in Gruppen bewegten.
    So viele verschiedene Völker gab es nur auf den Märkten, und Fionn hätte beruhigt sein müssen. Aber ein Bogin, noch dazu ohne Mantel und barfüßig, musste trotzdem unweigerlich auffallen.
    Doch niemand sah zu ihm herüber, alle waren mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt oder in Verhandlungen mit den Handwerkern und Geschäftsleuten auf der gegenüberliegenden Straßenseite verstrickt.
    Anscheinend wussten sie noch nichts von dem Haftbefehl, nahmen vielleicht an, er wäre auf Besorgung für seinen Herrn unterwegs.
    Fionn wagte allerdings nicht aufzuatmen. Es bestand keine Hoffnung, dass es dabei bleiben würde. Bald würden seine Verfolger auch hier durchkommen und alle befragen.
    Nach zwanzig Schritten stellte sich die Erschöpfung ein, die Grenze war erreicht. Seit seiner Flucht hatte er kein einziges Mal durchgeatmet, geschweige denn überlegen können, wie er entkommen könnte. Er brauchte eine Ruhepause und musste nachdenken.
    Die Hauptstraße führte auf einen großen Marktplatz, von dem eine Menge Gassen abzweigten. Fionn entdeckte ein an der Mündung einer solchen Gasse abgestelltes, leeres Fuhrwerk mit herabhängenden Planen, das aussah, als würde es nicht so schnell benötigt. Aber wie dorthin gelangen?
    Mach dich unsichtbar.
    Ja, natürlich! Das war es! Eine besondere Eigenschaft der Bogins war es, unauffällig zu sein. Das war vermutlich auch der Grund, weshalb bisher niemand auf Fionn geachtet hatte. Und das war etwas, woran er gleich hätte denken müssen, war es doch das erste, was ein Boginkind lernte.
    Man übersah ihn und seinesgleichen.
    Weil die Bogins allgegenwärtig, unentbehrlich und zugleich völlig unbedeutend waren.
    So wie Hühner.
    Hühner liefen überall herum, pickten hier und da, beäugten ihre gefangenen Artgenossen, die hoch über ihnen an den Füßen aufgehängt hingen, und staksten weiter.
    Fionn schüttelte den Kopf über sich selbst, weil er das in seiner Panik verdrängt hatte. Dennoch durfte er nicht leichtsinnig werden. Noch war er nicht bei dem Fuhrwerk angekommen, und die Situation hatte sich geändert: Heute wurden die Bogins gejagt, man achtete also auf sie.
    Der junge Mann senkte Kopf und Blick, zog die Schultern hoch und überquerte den Platz mit gleichmäßigen Schritten, ohne besondere Eile, aber

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