Der Fluch der Halblinge
beiden johlten. »Ein wandernder Sklave!«
»Aber nein, ich …«
»Halt den Mund!« Die beiden Brüder überlegten, was sie mit ihm anstellen sollten. In den Palast bringen? Nein, da erwartete sie keine Belohnung; derzeit war kein Preisgeld auf entflohene Sklaven ausgesetzt. Man würde ihnen danken und sie daran erinnern, dass sie ihrer Bürgerpflicht nachgekommen waren, das wäre aber auch schon alles. Schließlich hellten sich ihre Gesichter auf, anscheinend hatten sie beide denselben Gedanken gehabt.
Der Mann, der Fionn festhielt, beugte sich plötzlich zu ihm, kam ihm ganz nahe mit seinem Gesicht, dass die Kälte seiner Augen auf der Haut zu spüren war. »Jetzt hör mal zu, Bucca«, zischte er. »Wir gehen mit dir ins Gasthaus und veranstalten eine Auktion. Du wirst uns ein hübsches Sümmchen bringen. Und ich möchte dir raten mitzumachen, andernfalls wird es dir schlecht ergehen – sehr schlecht.«
Fionn schwieg, er hatte erkannt, dass es keinen Sinn hatte, sie um Gnade zu bitten. So zerlumpt wie sie waren, würden sie jede Gelegenheit nutzen, um zu Geld zu kommen. Wahrscheinlich hatten sie ebenfalls seit einem oder mehreren Tagen nichts mehr gegessen. Still und ergeben ließ er sich mitschleifen.
Schlag Sechs posaunte Ridirean durch die Stadt hinaus, und Fionn kam es wie sein Henkerslied vor, das ihn, und nur ihn, zum Schafott oder zum Galgen begleitete.
Die Männer polterten in die Gaststube, und Fionn verschlug es schier den Atem. Die Luft war schwer und stickig, es stank nach Schweiß, Alkohol und halb Verdautem, dazu Küchengerüche, der Rauch von Fischöllampen und noch andere Dünste, die Fionn nicht mehr erkennen konnte. Ihm wurde schwindlig und übel, und er wünschte sich weit fort – seinetwegen sogar ins Verlies des Palastes, denn nicht einmal dort konnte es schlimmer sein. Es herrschte ein chaotischer Lärm an Unterhaltungen, Bestellungen, Stühlescharren, Klirren von Krügen, Schmatzen und Schlürfen.
Der ältere Bruder stellte sich breitbeinig vor den Ausschank und stemmte die Arme in die Seiten. »Alle mal herhören!«, sagte er laut.
Die Geräusche verstummten, und alle wandten sich den Neuankömmlingen zu. Fionn schluckte, als er sah, wie er von vielen Augenpaaren gemustert wurde. Diesmal wurde er nicht übersehen.
»Wir haben hier einen Bogin anzubieten«, fuhr der Ältere fort. »Wie ihr alle wisst, ist heute der Befehl ausgegeben worden, alle Buccas zu verhaften. Warum, wissen wir nicht, und das spielt auch keine Rolle – fest steht, dass es seither einen gewaltigen Mangel an Sklaven gibt. Deshalb verkaufen wir diesen Bogin dem Meistbietenden. Er ist jung, er ist gesund, und wenn sein neuer Herr acht gibt und nicht überall ausplaudert, dass er einen Sklaven hält, wird er in dieser kargen Zeit und darüber hinaus viel Freude mit ihm haben.«
»Der bringt doch nur Ärger!«, rief jemand. »Wenn ihn jemand sieht …«
»Auf dem Feld kann er natürlich nicht eingesetzt werden, und dafür ist er uns auch zu schade. Seht her, seine zarten Hände, sein gepflegtes Äußeres …«
»Der starrt doch vor Dreck!«
»Weil er geflohen ist, mein Freund. Aber dieser Schmutz ist nur dünn und ganz oberflächlich, da braucht’s nicht einmal Schrubben. Ein vornehmer Sklave für ein gemütliches Heim. Eure Freunde, Eure Familie wird euch beneiden!«
»Ja, und uns hinhängen!«
Allgemeines Gelächter. Die beiden Brüder sahen sich an und zuckten die Achseln. »Wir haben uns schon gedacht, dass ihr kein Geld habt«, sagte der Ältere. »Drüben im ›Weißen Hasen‹ haben sie uns 5 Goldaugen geboten, aber das war uns zu wenig. Na, dann ziehen wir halt weiter zum …«
»Fünf Goldaugen?« Ein schwergewichtiger Mann, seiner prächtigen Zunftkleidung nach zu urteilen ein Pillendreher, trat nach vorn. »Ich biete zehn Bronzestücke!«
Das empfanden selbst diejenigen, die sich überhaupt nicht für einen Sklaven interessierten, als Frechheit, und der Pillendreher musste sich jede Menge Beschimpfungen als Geizhals gefallen lassen und wurde sogar mit Brotstücken beworfen.
»Pah!«, machte er, drehte sich hochnäsig um und kehrte auf seinen Platz zurück.
»Ich biete zwei Silberköpfe!«, rief nun ein anderer, und damit ging das Bieten los.
Fionn wollte nicht glauben, was er da hörte. Vor allem konnte er überhaupt nicht verkauft werden, da er nicht über die dafür notwendigen Papiere verfügte. Und ein Sklave durfte von Gesetzes wegen nicht zwei Herren gehören oder auch nur dienen.
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