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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Nachtwachen war mancher tags so müde, dass er beinahe im Sattel einschlief. Doch auch bei Tageslicht hieß es wachsam sein, denn in jedem Waldstück und hinter jedem Strauch konnten Angreifer verborgen sein.
    Das alles zerrte an den Nerven der Männer und ließ sie immer lauter über die Hinterhältigkeit des Kaisers von Byzanz murren. Bald kamen Gerüchte auf, er habe sich mit Saladin verbündet.
     
    Mittlerweile näherte sich der Juli seinem Ende. Thomas und Roland waren diese Nacht für die zweite Wache eingeteilt. Die karge Abendmahlzeit hatten sie zusammen mit den Rittern aus Weißenfels und Meißen eingenommen. Aber heute wollten sie nicht gleich danach zur Ruhe gehen, um wenigstens etwas Schlaf zu finden. Sie warteten auf Neuigkeiten. Graf Dietrich war zum Rat der Sechzig gerufen worden, und im ganzen Heerlager hatte längst die Runde gemacht, dass im Verlauf des Tages mehrere Gesandte eingetroffen waren.
    Die Gespräche der Männer an den zwei langen Tischen unter dem Leinendach kreisten wieder einmal darum, was sie wohl im Heiligen Land erwarten würde: mit Gold und Marmor gepflasterte Gassen, unheimliches Getier, Sarazenen mit merkwürdig krummen Schwertern und Pferden, klein wie eine Ziege und blitzschnell wie Katzen. Zumindest die beiden letzten Beschreibungen wurden stark bezweifelt oder sogar belacht, vor allem unter den jüngeren Rittern.
    Thomas und Roland hielten sich aus dem Gerede heraus. Sie wussten von Rolands Vater, der Pferde züchtete, dass die Sarazenen tatsächlich erstaunlich kleine und flinke Pferde besaßen, doch gesehen hatten sie noch keines.
    »Wer soll auf einer Ziege reiten?«, meinte ein junger Mann namens Bruno mit blondem Haar und spärlichem Bartwuchs; einer derjenigen, die mit dieser Reise den Gläubigern entkommen wollten. »Und warum sollte jemand mit einem krummen Schwert kämpfen? Haben die Ungläubigen keine gescheiten Schmiede?«
    Energisch widersprach Gottfried, der älteste von Dietrichs Rittern, der vor etlichen Jahren nach Jerusalem gepilgert war, bevor es von Saladins gefürchteten Heerscharen eingenommen wurde. »Sarazenische Schmiede und Handwerker sind unseren weit überlegen! Ebenso ihre Ärzte und ihre Gelehrten.«
    »Ihr werdet die Ungläubigen nicht über die Christenmenschen stellen, sonst versündigt Ihr Euch!«, wies ihn scharf einer der Männer aus dem Lager des Bischofs zurecht.
    Der alte Pilgerfahrer zog seinen Dolch, dessen Klinge ein Muster aus feinen Wirbeln aufwies, und drehte ihn so, dass sich der flackernde Schein des Feuers darin spiegelte. »Ihr werdet doch zugeben, dass dieses Damaszenermesser besser ist als das, was Euer Dorfschmied zustande bringt.«
    »Dann haben es armenische oder syrische Christen angefertigt!«, schnauzte der Mann beleidigt.
    »Ja, gewiss«, meinte Gottfried abfällig und schüttelte den Kopf über so viel Uneinsichtigkeit.
    Bevor darüber Streit ausbrechen konnte, rief Wiprecht: »Der Graf kommt!«
    Sofort erhoben sich die Ritter, um ihrem Anführer die Ehre zu erweisen.
    Der Graf ließ sich von ihm einen Becher reichen und stellte sich an das obere Ende der Tafel.
    »Wir werden morgen eine Stadt namens Nisch erreichen, wo drei Tage lang ein Markt für uns abgehalten wird, damit wir uns mit allem Nötigen versorgen können«, gab er bekannt.
    Diese Mitteilung wurde mit lautstarker Genugtuung aufgenommen.
    »Hat sich der treulose Byzantiner endlich doch besonnen, sein Wort zu halten?«, rief der Auenweiler.
    Auf Dietrichs Gesicht zeichnete sich ein ironisches Lächeln ab. »Nisch steht nicht mehr unter Herrschaft des Kaisers von Byzanz. Der Großfürst der Serben, Stefan Nemanja, hat die Stadt erobert, ebenso Teile Bulgariens und Mazedoniens. Der Fürst wird unseren Kaiser prachtvoll empfangen. Er bietet uns Waffenhilfe an und dem Kaiser die Lehnshoheit über die eroberten Gebiete.«
    »Soll unser Herr Kaiser den Serbenfürsten zum Vasallen nehmen, und dann ziehen wir gemeinsam gegen Byzanz!«, rief der Auenweiler.
    »Ihr seid ein Hitzkopf, Humfried«, ermahnte ihn der Graf. Dann wandte er sich wieder an die ganze Runde. »Ich will nicht verschweigen, dass dieser Vorschlag auch von einigen im Rat der Sechzig unterbreitet wurde. Aber Jerusalem ist unser Ziel, nicht Konstantinopel, eine christliche Stadt!«
    »Konstantinopel würde ich gern mit eigenen Augen sehen«, sagte Thomas leise zu seinem Freund. »Es heißt, die Kirche dort, die Hagia Sophia, sei die größte der Welt und ein wahres Wunder!«
    »Pass auf, was du dir

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