Der Fluch der Hebamme
verwandeln. Und den gehetzten, furchtsamen Blick, der typisch für Marthe zu Beginn der Geschichte war, nahm sie fürs Foto nun ebenfalls an.
Von Motiv zu Motiv sorgte außerdem Visagistin Gabi Pachmayr dafür, dass die Gesichtszüge der Neunzehnjährigen reiften.
Im zweiten Band ist Marthe die Frau eines Ritters, wenn auch eines Ritters ohne großes Vermögen. Also trägt sie hier schon ein Kleid, das mit schmalen Brettchenborten und einer einfachen Gewandschließe verziert ist. Brettchenweberei ist eine uralte Technik und schon aus vorchristlicher Zeit belegt. In staufischer Zeit gab es weder Samtkleider noch die goldglitzernden industriell gefertigten Litzen, wie sie auf vielen Mittelaltermärkten angeboten werden. Männer wie Frauen von Stand verzierten ihre Kleider entweder mit solchen Brettchenborten oder mit Stickereien.
Helmut Henkensiefken plazierte »Marthe« mit einer Näharbeit auf einer der Fensterbänke. Das Fenster – so viel war klar – durfte später auf dem Bild nicht zu sehen sein, denn Flachglasfenster gab es um 1200 noch nicht. Aus Katjas unerschöpflichem Fundus stellten wir einen Korb mit Wolle und Flickzeug zusammen, um Marthe bei einer Näharbeit zu zeigen.
Die Bundhaube, mit der sie ihr Haar bedeckt, ist übrigens ein Alltagsgegenstand des Mittelalters, der von Männern, Frauen und Kindern jedes Standes getragen wurde, auch wenn sie uns heute auf den alten Abbildungen eher wie ein Babymützchen vorkommt. Verheiratete Frauen mussten ohnehin das Haar bedeckt tragen. Und die Bundhaube sollte die Haare nicht nur vor Staub, sondern auch vor den allgegenwärtigen Läusen und anderem Ungeziefer schützen.
Für das dritte Motiv ging es wieder hinauf auf den eiskalten Turm – und diesmal durfte Caroline nur den dünnen Seidenbliaut tragen. Das Foto war ursprünglich für den dritten Band gedacht, wo Marthe als Frau des Burgvogtes ihren höchsten gesellschaftlichen Stand erreicht hat. Das Kleid, das sie trägt, hat Katja von Hand genäht, die Stickereien sind mit kleinen Granatsteinen und Süßwasserperlen verziert. Dieses Kleid war Katjas Hochzeitskleid, und aufmerksame Leser werden gewisse Ähnlichkeiten zur Beschreibung von Claras Hochzeitskleid in diesem Buch entdecken. Doch weil dieses Prachtgewand so schön ist, beschlossen wir später, das Bild entgegen dem ursprünglichen Plan für den vierten Band zu verwenden, mit dem wir ja die Leser für die neue Aufmachung der Romanreihe begeistern möchten.
Thomas Friedrich in voller Rüstung – Kettenhemd und Kettenhaube. Entgegen gängigen Vorstellungen aus Filmen wurde zur Zeit um 1200 der Kettenpanzer über dem Bliaut getragen.
Zum Kleid gehört ein Schleier mit kunstvoll gearbeitetem Schapel, und das Utensil, das Marthe in der Hand hält, ist die Replik eines Aquamanile. Das sind kunstvolle Gerätschaften für die Handwaschung, oft in Form eines Tieres. Bei besonderen Zeremonien oder ausgesprochen hohen Gästen benutzte man sie, um vor und nach den Mahlzeiten Wasser über die Hände des Gastes zu gießen.
Wir alle bedauerten Caroline, die in dem dünnen Kleid auf dem eiskalten Turm wieder und wieder durch den schmalen Steinbogen gehen musste, bis der Fotograf zufrieden war, und standen schon mit der Thermoskanne und ihrem dicken Anorak bereit, damit sie sich zwischendurch wenigstens etwas aufwärmen konnte. Aber sie hat tapfer durchgehalten, ohne zu klagen.
Das vorletzte Motiv ziert nun den dritten Band. Hier trägt Marthe ein Kleid in kräftigem Blau mit weiten Tütenärmeln, wie sie zu jener Zeit für den Adel in Mode waren, das üppig mit Brettchenborten verziert ist. Dieses Kleid hatte Katja schon seit einiger Zeit für sich in Arbeit und es nun für den Fototermin noch quasi in Nachtarbeit fertiggestellt. Interessant sind auch die Gürtelbeschläge – sie zeigen die »Rose von Wildenfels«, das Wappen der Adelsfamilie, die Katja und Thomas in der Interessengemeinschaft darstellen. Die Behältnisse, die Caroline in der Hand hält und die einige von Marthes Kräutern enthalten könnten, sind aus Birkenrinde.
Bleibt das Motiv für den fünften Band, das auf dem beeindruckenden Dachboden von Mildenstein entstand – eine riesige Holzkonstruktion, sorgfältig in alter Handwerkskunst wieder errichtet, die etwas von einer Kathedrale oder einer umgestülpten Kogge hat. Was darauf zu sehen ist, soll noch nicht verraten werden – das Geheimnis wird Ende 2011 gelüftet, wenn der Roman erscheint.
Es ist zwar ein bisschen schade,
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