Der Fluch der Hebamme
Kontingents hatte sein Banner neben das der beiden Könige gepflanzt. Aber Richard befand, ein herzogliches Banner habe neben seinem königlichen nichts zu suchen, und ohnehin hätten die paar deutschen Ritter hier keine Rolle gespielt. Also ließ er das Banner in den Graben werfen. Deshalb zieht Leopold morgen ab, mit allen seinen Männern – und wir auch.«
»Wir ziehen nach Hause?«, fragte Thomas ungläubig.
»Ja«, antwortete Graf Dietrich voller Bitterkeit. »Wir haben hier nichts verloren.«
Herbst 1191 auf der Wartburg in Thüringen
H ast du gehört? Das Wallfahrerheer kehrt zurück! Und sie nehmen diesmal den Seeweg und müssten bald eintreffen!« Ganz aufgeregt kam Marthe mit dieser Nachricht über den Burghof zu Lukas gelaufen. Sie hatte bis eben noch die kleine Jutta behandelt, die Tochter von Markgraf Hermann, die ein schlimmer Husten plagte. Währenddessen hatte Lukas die Zeit genutzt, um seinem Sohn Konrad, der nun schon fast sieben Jahre zählte, ein paar Übungen mit einem kleinen Holzschwert beizubringen.
Lukas unterdrückte seine Enttäuschung und schickte den Jungen zu seinem Bruder. »Ich wollte es dir eigentlich zuerst sagen«, gab er zu. Doch angesichts der Freude und Hoffnung auf Marthes Gesicht war das auf einmal nicht mehr wichtig. Er zog sie an sich und hielt sie fest in seinen Armen.
Ob Thomas und Roland wiederkommen würden? In den letzten Monaten waren nur wenige, aber dafür schreckliche Nachrichten vom Verlauf dieses Kriegszuges eingetroffen. Die Nachricht vom Tod des Kaisers hatte das Land erschüttert. Kurz darauf erfuhr Hermann von Thüringen, dass auch sein Bruder gestorben war, in Zypern auf der Heimreise dem Fieber erlegen.
Der König verweigerte ihm Thüringen, weil Ludwig keinen männlichen Nachfahren hatte und das Land nur im direkten Mannesstamm vererbt werden könne. Allerdings musste König Heinrich bald nachgeben: Der Friede mit dem alten Welfen war zu brüchig, und er musste nach Sizilien, um sich das Land von dem Thronräuber Tankred zu holen.
Also wurde Hermann doch Landgraf von Thüringen.
Rückhalt gaben ihm auch die Fürsten, die sich durch das Beispiel Thüringens in der Notwendigkeit bestärkt sahen, vom König die Erblichkeit ihrer Lehen zu fordern.
Marthe und Lukas hatten in Eisenach ein neues Leben begonnen, wieder einmal ganz von vorn, mit nichts mehr als dem, was sie
am Leibe trugen und was sie konnten.
Lukas stand nun in Diensten des Landgrafen von Thüringen und hatte sich als Kämpfer einen guten Ruf erworben, Marthe war als Heilerin und Wehmutter gefragt. Daniel, Paul und Konrad lebten bei ihnen, und von Clara wussten sie, dass es ihr und der kleinen Änne in Weißenfels gutging. Niemand hatte dort nach ihnen gesucht.
In Freiberg schien währenddessen so etwas wie Friedhofsruhe eingekehrt zu sein, denn Albrecht war mit dem König nach Rom gezogen und wollte ihn weiter nach Sizilien begleiten.
Hatte es gewollt.
Das war es, das Lukas Marthe gern verschwiegen hätte. Doch das würde es nicht ungeschehen machen, und sie musste es wissen. Deshalb zog er sie ohne ein weiteres Wort in ihre Kammer. Worum es nun gehen würde, wollte er nicht auf dem Burghof vor aller Ohren mit ihr besprechen.
»Da gibt es noch eine zweite Neuigkeit«, begann er vorsichtig, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Da Marthe ihn fragend ansah, kannte sie die mit Sicherheit noch nicht.
»Offensichtlich ist auch Graf Dietrich am Leben und auf der Heimreise – denn Albrecht hat das Gefolge des Königs verlassen, um sich hier seinem Bruder entgegenzustellen, sobald er zurückkehrt.«
Clara!, war Marthes erster Gedanke. Und es wird Krieg geben. Blutigen Bruderkrieg. Sie hatte es schon vor Augen: niedergebrannte Felder, erschlagene Bauern, abgestochenes Vieh … das halbe Land verwüstet oder in Flammen.
Einen Moment lang konnte sie nichts sagen. Sie legte sich die Hand über die Lider und versuchte, die Bilder zu unterdrücken, die in ihr aufstiegen …
Lukas schwieg. Er wusste auch so, was das zu bedeuten hatte, was sie erwartete. Und ob Landgraf Hermann Dietrich gegen seinen Bruder beistehen würde und zu welchen Bedingungen, war noch ungewiss.
Es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, als Marthe etwas sagte. Worte, von denen Lukas nie erwartet hätte, sie ausgerechnet von ihr zu hören.
»Wenn es Frieden geben soll in der Mark … wenn nicht Tausende Menschen geopfert werden sollen für die Willkür eines Mannes … dann wird früher oder
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