Der Fluch der Hebamme
reagierte.
Die ganz besondere Dramatik jenes Kriegszuges liegt in meinen Augen nicht im Tod des Kaisers oder in den strapaziösen Märschen durch wasserloses Gebiet, sondern darin, dass die wenigen, die die Schlachten, die Wüsten, die Seuchen überlebt haben und monatelang vor Akkon im Schlamm lagen, letztlich an den Streitereien der christlichen Heerführer und der Barone Outremers untereinander scheiterten.
Die meisten deutschen Kreuzzugsteilnehmer sind sinnlos gestorben, und die paar Überlebenden haben Jerusalem nie zu Gesicht bekommen – ebenso wenig wie der so gern zum Helden verklärte Richard Löwenherz, der im August 1191 vor Akkon 2700 muslimische Gefangene hinrichten ließ, weil Konrad von Montferrat sie für einen Separatfrieden mit Saladin einsetzen wollte, und auch nicht die Kreuzfahrer späterer Jahre. Barbarossas Gebeine wurden nie nach Jerusalem gebracht, sondern gingen vermutlich vor Akkon verloren. Erst Barbarossas Enkel Friedrich II . gelang es, den Pilgern wieder freien Zutritt nach Jerusalem zu verschaffen, und dies nicht durch Krieg, sondern durch Verhandlungen. Dafür wurde er von der Kirche gebannt und Jerusalem mit dem Interdikt belegt.
Mit der Belagerung Akkons ist der Legende nach auch die Entstehung der österreichischen Nationalflagge verbunden. Angeblich soll der Burnus Leopolds von Österreich so rot vom Blut seiner Feinde gewesen sein, dass nur dort ein Streifen weiß blieb, wo sein Gürtel saß. In den Kampf gezogen ist Herzog Leopold V. aber nicht mit rot-weiß-rotem Banner, sondern mit dem schwarzen Panther auf silbernem Grund als Wappen.
Für die Gestaltung der Romanteile, die den Dritten Kreuzzug zum Thema haben, hielt ich mich so genau wie möglich an überlieferte Augenzeugenberichte, wobei man natürlich berücksichtigen muss, dass diese stark verklärt sind, sofern es den Kaiser und seinen Sohn betrifft. Deshalb lasse ich Barbarossa vor Ikonium nicht die schriftlich hinterlassenen Sätze sprechen, sondern eine etwas schlichtere Version. Der Schlachtruf seiner Kreuzfahrer, die sich selbst nicht als Kreuzfahrer, sondern als Pilger oder Wallfahrer bezeichneten, war nicht das allseits bekannte »Gott will es!«, sondern: »Christus ist König, Christus siegt, Christus herrscht!«
Und um einem weiteren Einwand zuvorzukommen: »Königreich der Himmel« von Ridley Scott ist ein großartiger Film, der sich für ein Kunstwerk bemerkenswert genau an die Geschichte hält, sieht man von der Liebesbeziehung zwischen Balian von Ibelin und Sibylle ab. Aber – das ist keine Mäkelei von mir, sondern nur ein Hinweis für alle, die sich an dieser Stelle beim Lesen gewundert haben – die wahre Sibylle ist nicht mit Balian nach Europa gezogen. Sie starb mit ihren beiden Töchtern tatsächlich an der Seuche vor Akkon, während Balian von Ibelin zusammen mit anderen dafür sorgte, dass Konrad von Montferrat König von Jerusalem wurde – wenn auch nur für ein paar Tage. Dann wurde er ermordet, und bis heute gibt es Spekulationen, wer diesen Mord in Auftrag gegeben hatte. Vor ihrer Hochzeit mit Guido von Lusignan hätte Sibylle beinahe Balians älteren Bruder Balduin geheiratet, einen der mächtigsten Barone in Outremer. Vielleicht wäre die Geschichte dann anders verlaufen.
Vielleicht wäre auch Barbarossa König von Jerusalem geworden, wie es mancher seiner Bewunderer wohl erhofft hatte. Doch alternative Geschichtsverläufe sind Stoff für ein anderes Genre. Es bleibt als Fazit nur das ungeheure Leid und der vieltausendfache Tod, den dieser Kreuzzug gebracht hat – wie jeder andere auch.
Aus dem Feldhospital unter dem Segel der Kaufleute aus Bremen und Lübeck vor Akkon entwickelte sich der Deutschritterorden.
Für alle, die die Route der Kreuzfahrer auf der Landkarte nachvollziehen wollen, hier noch die heutigen Bezeichnungen der erwähnten Orte:
Pressburg ist – wie schon erwähnt – das heutige Bratislava, Philippopel heißt nun Plovdiv, Adrianopel ist Edirne, Konstantinopel Istanbul, Philomelion ist Aksehir, Ikonium das heutige Konya, Seleukia Silikfe und Akkon – auch Accre genannt – das heutige Akko in Israel.
Von den Folgen des gescheiterten Kreuzzuges wird noch im fünften Band meiner »Hebammen«-Reihe die Rede sein, hauptsächlich aber natürlich davon, wie es in Meißen und Thüringen weitergeht, wie Barbarossas Sohn Heinrich VI . regiert und stirbt, was aus Marthe, Lukas, ihren Kindern und Freunden wird.
Ich hoffe, Sie sind schon gespannt darauf. Und ich
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