Der Fluch der Hebamme
Lagerplatz ein beträchtlicher Teil der Männer für eine Weile verschwand, um im nächsten Dorf käufliche Frauen aufzusuchen.
Die Aufnahme in den Ritterstand hatte Thomas’ Leben in vielerlei Hinsicht verändert. Nun trank und aß er an einem Tisch mit den Rittern, wurde als vollwertiger Kämpfer betrachtet, und ebenso wie Roland bekam er von Dietrich einen Knappen zugewiesen, den er auszubilden hatte.
Dieser Knappe hieß Rupert, war nur ein Jahr jünger als er und offenbar der Meinung, von so einem Jungsporn wie seinem neuen Herrn könne er nichts mehr lernen.
Thomas hatte sich zunächst noch zurückgehalten, weil es ihm merkwürdig vorkam, jemanden anleiten zu sollen, der fast so alt war wie er selbst. Weshalb hatte Dietrich ihm nicht einen von den Jüngeren zugeteilt, wie Roland, dessen Knappe gerade erst vierzehn Jahre zählte? Doch der Graf wies Thomas’ Einwände ohne Erklärung ab. Wollte er sehen, wie Christians Sohn zurechtkam?
Zudem war dieser Rupert tatsächlich nicht schlecht im Umgang mit Schwert und Lanze. Doch seine Überheblichkeit sorgte dafür, dass Thomas schon am zweiten Tag die Geduld verlor und jegliche Zurückhaltung aufgab.
»Komm her, Bursche!«, rief er, als der andere mit verdrießlicher Miene den Befehl entgegennahm, das Zaumzeug zu putzen und zu fetten.
Gehorsam, aber einen deutlichen Moment zu langsam, stand Rupert auf.
»Meinst du, es ist unter deiner Würde, das zu tun? Und du müsstest längst selbst die Sporen tragen und einen Knappen herumscheuchen, wenn es gerecht zuginge?«, fragte Thomas ihn scharf.
Der Bursche antwortete nichts, sondern senkte nur den Blick und blies sich eine helle Haarsträhne aus dem mit Sommersprossen übersäten Gesicht.
»Ich habe deine Antwort nicht gehört!«, beharrte Thomas.
Der sich anbahnende Vorfall zog bereits Aufmerksamkeit auf sich. Ein paar der Weißenfelser Ritter traten näher, um mitzuerleben, wie wohl der Neue mit seinem aufmüpfigen Knappen fertig würde. Denn dass er dessen Gehorsam auf der Stelle erzwingen musste, stand außer Zweifel. Es war nicht nur eine Sache der Ehre, dass hier die Rangfrage ein für alle Mal geklärt wurde, sondern auch lebensnotwendig für beide in bevorstehenden gefährlichen Situationen.
»Wenn Ihr es wünscht, kümmere ich mich jetzt um das Zaumzeug, wie Ihr befohlen habt«, lenkte Rupert ein. Doch seine Miene drückte tiefsten Widerwillen aus.
»Das wirst du tun, wenn ich mit dir fertig bin«, sagte Thomas, und diese Ankündigung sorgte für erwartungsfrohes Grinsen unter den Rittern.
»Wenn du meinst, du seist besser als ich, dann beweise es. Hol dein Übungsschwert und den Schild.«
Wortlos gehorchte Rupert und kam mit den Waffen zurück.
»Und schließe gefälligst deinen Gambeson! Ich will dir nicht die Rippen brechen.«
Auch diesem Befehl kam Rupert nach, aber die Nachlässigkeit, mit der er das Kleidungsstück zuschnürte, zeigte deutlich, dass er es für sehr unwahrscheinlich hielt, Thomas könnte ihm gefährlich werden.
Christians Sohn stellte sich auf, die Beine leicht gespreizt, den Schild in der Linken, das Schwert nach unten gerichtet.
»Los, greif mich an, wenn du kannst!«
Rupert zögerte nur einen winzigen Moment, dann attackierte er mit einem wuchtigen Oberhau, den Thomas von seinem hochgerissenen Schild abgleiten ließ. Der Knappe schaffte es gerade noch, das Gleichgewicht zu halten, wich rasch zur Seite aus und hieb von dort zu.
Thomas band die Klinge an und drückte sie nach unten. Dann ließ er los und bot dem Jüngeren die Möglichkeit zu einem erneuten Angriff.
Diesmal zögerte Rupert nicht und legte erneut viel Schwung in seinen Hieb – in diesen und die nächsten. Doch ganz gleich, was er tat, er schaffte es nicht, Thomas auch nur ein einziges Mal zu treffen. Entweder band der junge Ritter die Klinge mit seiner an, oder er schlug sie mit dem Schild beiseite und holte dann seinerseits zum Hau aus.
Anfangs lachten die Zuschauer noch, aber bald verzogen einige von ihnen allein vom Hinsehen schmerzerfüllt die Gesichter, denn sie konnten gut beurteilen, welche harten Schläge der ungehorsame Knappe einsteckte und dass er gut daran getan hatte, den aus vielen Stofflagen bestehenden Gambeson zu schließen. Morgen würde sein Körper von blauen Flecken übersät sein.
Mal schlug Thomas ihn nieder, mal hebelte er ihm das Schwert aus der Hand und zwang ihn blitzschnell in die Knie, mal legte er ihm den Arm um den Hals und riss ihn rücklings zu Boden.
»Der Kerl
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