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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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bestimmt erfahren, ob Otto ihn und Lukas bestrafen ließ, bevor er zu seiner Frau ins Bett stieg.
    Sicherheitshalber schickte er einen Diener vor, der anfragte, ob der Ritter von Reinhardsberg und seine Frau ihn empfangen würden. Er wurde sofort eingelassen und fand einen Anblick vor, der ihm das Herz öffnete: sein Freund lächelnd vor Clara, die eine Näharbeit auf dem Schoß hatte.
    Und als er erkannte, was seine Stieftochter da nähte, war auch Lukas für einen Moment sprachlos vor Überraschung, die sich rasch in Freude verwandelte. Clara hielt ein halbfertiges Kinderhemdchen in den Händen.

Juli 1189 hinter der Nordgrenze des Byzantinischen Reiches
    O b sie heute Nacht wieder angreifen?«, fragte Thomas, während er sich für die Wache rüstete.
    Roland zuckte mit den Schultern und gürtete ebenfalls sein Schwert. »Sie haben doch bisher jede Nacht angegriffen.«
    Die beiden jungen meißnischen Ritter hatten sich freiwillig für die nächtliche Wache bei den Pferdekoppeln gemeldet. Die Pferde und die Trosskarren waren das bevorzugte Angriffsziel der Banden, die der Streitmacht des Kaisers zu schaffen machten, seit sie die byzantinische Grenze überschritten hatte. Roland hatte erklärt, er könne das Gemetzel unter den Pferden nicht länger ansehen. Und Thomas war es leid, immer nur von den Ruhmestaten seines Vaters zu hören. Er wollte aus dessen Schatten heraustreten und nicht länger nur Christians Sohn sein. Also musste er jede Gelegenheit nutzen, sich zu beweisen.
    Von Pressburg aus war das gewaltige kaiserliche Heer, inzwischen noch verstärkt durch böhmische und ungarische Truppen, fünfunddreißig Tage lang durch Ungarn gezogen, ohne dass es größere Zwischenfälle gegeben hatte. Wie mit König Bela verabredet, durften die Pilger auf den Märkten zu festen Preisen Nahrung, Futter und was sie sonst noch brauchten kaufen. Zu dieser Bereitwilligkeit beigetragen hatte wohl auch, dass der Heerzug gleich in den ersten Tagen seines Marsches durch Ungarn ein Dorf niedergebrannt hatte, weil dessen Bewohner Wegezoll von den Pilgern verlangt hatten.
    Selbst das Wetter schien ihnen gutgesinnt. Es war warm, aber es herrschte nicht die sengende Hitze, die sonst in diesem Landstrich
     im Sommer auf alles Lebende herabbrannte.
    Obwohl die Tage auf dem Marsch durch Ungarn recht eintönig waren, gab es für Thomas immer wieder Momente, in denen er aus dem Staunen nicht mehr herauskam – zum Beispiel beim Anblick der drei Kamele, die der ungarische König dem Kaiser geschenkt hatte und die nun mitgeführt wurden. Thomas hatte noch nie zuvor eines gesehen und konnte angesichts ihrer sonderbaren Gestalt kaum aufhören, sich zu wundern, welch merkwürdiges Getier Gott da erschaffen hatte. Und wie sollte man auf denen reiten, was ja angeblich die Sarazenen taten, wenn doch ein riesiger Höcker an der Stelle war, wo er den Sattel aufgelegt hätte?
    Kaum weniger verwunderte ihn anfangs, dass sogar ein Minnesänger den Kaiser begleitete, noch dazu ein ausnehmend guter: ein Ministerialer vom Rhein namens Friedrich von Hausen. Aber Roland hatte ihn wieder einmal wegen seiner unhöfischen Denkweise ausgelacht. Natürlich reise ein Kaiser vom Range Friedrichs von Staufen und König von Burgund nicht ohne Troubadoure.
    »Wieso?«, hielt ihm Thomas erstaunt entgegen. »Da es doch keine einzige Frau hier gibt? Und ich schwöre dir: Wenn ich mir noch einmal anhören muss, wie er in allen Einzelheiten von der Schönheit seiner Liebsten schmachtet, die er verlassen hat, um auf Wallfahrt nach Jerusalem zu gehen, dann müssen sie mich auch nackt in den nächsten Fluss werfen!«
    Roland grinste. »Ich glaube, aus ähnlichen Gründen haben ihm schon ein paar Leute nahegelegt, lieber etwas über unsere bevorstehenden Ruhmestaten zu dichten.«
    Frauen waren im Lager nicht zugelassen. Und in dieser wie in jeder anderen Hinsicht sorgte der Kaiser mit seiner unerschütterlichen Autorität dafür, dass eiserne Disziplin eingehalten wurde. Wer sich am Eigentum eines Kreuzfahrers vergriff, verlor die Hand, wer den Marktfrieden brach oder Unruhe stiftete, wurde geköpft, und wer mit einer Dirne erwischt wurde, der wurde zusammen mit ihr nackt und mit einem Strick um sein Glied durch das Lager geführt und anschließend ein paar Mal in den Fluss getaucht. Wer das überstanden hatte, für den endete in der Regel die Pilgerfahrt damit. Mehr als hundert Huren waren bereits zu Beginn des Marsches verjagt worden – was dazu führte, dass an jedem

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