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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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beschäftigte.
    »Sie könnte jetzt schon schwanger sein«, sagte Roland unversehens eines Abends, als sie beide schon im Zelt lagen, aber jeder hörte, dass der andere noch nicht schlief.
    Thomas begriff sofort, von wem die Rede war. »Das wissen wir nicht«, antwortete er und zwang sich, das Bild zu verdrängen, das ihm dabei vor Augen stand.
    »Es ist aber ziemlich wahrscheinlich«, meinte Roland bedrückt. »Die Hochzeit ist nun schon über zwei Monate her.«
    »Das wissen wir nicht!«, wiederholte Thomas stur. Genau deshalb hatte er es vermieden, die Rede auf die Heimat zu bringen. »Wir müssen einfach auf Gott vertrauen.«
    »Ja, damit Er uns sicher nach Jerusalem führt und wieder zurück … Und dass Er einen guten Plan hat, was dann wohl aus uns werden soll.« Rolands Stimme klang ungewohnt ratlos bei diesen Worten.
    Eine Weile sagte niemand von beiden etwas; jeder hoffte, dass der andere glaubte, er sei eingeschlafen.
    Womöglich traut Lukas diesem Kerl sogar zu Recht, und sie hat ihn inzwischen lieben gelernt, versuchte sich Thomas zu trösten. Aber das würde seinen Freund vielleicht noch mehr aufbringen als die Vorstellung, Clara sei in ihrer Ehe todunglücklich. Wie es aussah, bestand keinerlei Hoffnung für ihn.
    Es ist eine dumme Sache mit der Liebe, dachte er. Wenn es nicht gut läuft, macht sie einen nur unglücklich, das sehe ich bei Roland. Welch ein Glück, dass mir das erspart geblieben ist! Ich habe so schon genug Sorgen am Hals.
     
    Das Heer hatte die byzantinische Grenze kaum überschritten, als auch schon die Schwierigkeiten begannen. Der Gouverneur einer Grenzfestung mit dem unaussprechlichen Namen Branitschevo erklärte sich außerstande, die zugesicherte Geleitmannschaft bereitzustellen.
    Vom Kaiser zur Rechenschaft gefordert, da dies doch von der byzantinischen Gesandtschaft bereits vor einem Jahr in Nürnberg fest versprochen worden war, wand er sich wie ein Aal in den Händen des Kochs. Nach vielen Ausflüchten gestand er schließlich ein, dass die Lage in Byzanz zurzeit recht schwierig sei. Die Bulgarenfürsten hätten bereits ihr eigenes Reich gegründet, die Serben, die man bis vor kurzem noch durch Zugeständnisse an das Fürstengeschlecht der Nemanja einigermaßen ruhig halten konnte, schon das Gebiet bis Nisch erobert. Und Konstantinopel sei eben sehr weit weg von diesem westlichsten Außenposten. Außerdem befinde sich Seine kaiserliche Majestät Isaak Angelos gerade mit dem Heer im entferntesten Teil des Landes jenseits des Hellesponts, um dort die Seldschuken aufzuhalten, die gleichfalls immer weiter vordringen würden.
    Dietrich von Weißenfels brachte diese Neuigkeiten in sein Lager. Er gehörte dem Rat der Sechzig an, fünf Dutzend besonders im Kampf bewährten Männern, die mit dem Kaiser und seinem Marschall Kriegsrat hielten und jeweils fünfzig Ritter befehligten.
    »Glaubt Ihr, der Byzantiner spricht die Wahrheit?«, fragte Wiprecht von Starkau mit zweifelnder Miene.
    »Das können wir nicht wissen«, antwortete Dietrich und nahm dankbar einen Becher Wein entgegen. »Jedes Dorf ist verlassen, durch das wir bisher gekommen sind, die Speicher sind leer, wir können uns nicht bevorraten wie versprochen. Aber ob das nun ein Wortbruch Isaaks ist oder hier tatsächlich Krieg herrscht, der mit uns gar nichts zu tun hat? Wir wissen ja nicht einmal, wer uns Nacht für Nacht angreift – ob Bulgaren, Griechen, Serben oder Walachen.«
    Wenn ich ein einfacher Bauer wäre und ein solch gewaltiges Heer im Anmarsch, dann würde ich wahrscheinlich auch mein letztes bisschen Habe nehmen und mich in den Bergen verstecken, dachte Thomas. Sie können ja nicht wissen, dass wir nicht plündern, sondern kaufen wollen.
    »Auf die Byzantiner war noch nie Verlass«, meinte der Auenweiler verächtlich. »Was für ein ehrloser Lump muss erst ihr Kaiser sein, wenn er sein Wort nicht hält.«
    »Ich halte ihn eher für einen Schwächling, der sich in seinem eigenen Reich nicht durchsetzen kann angesichts dessen, was wir vorhin gehört haben«, meinte Dietrich bedacht.
    Der Auenweiler schnaubte. »Das ist auch nicht besser!«
     
    Wie sich bald herausstellte, hatte der Provinzgouverneur von Branitschevo das Heer von seinen Leuten auf den falschen Weg führen lassen: nicht entlang der alten Kaiserstraße, sondern über kaum passierbare, steinige Pfade und schmale Wege, die noch dazu immer wieder mit riesigen Felsbrocken und umgehauenen Bäumen versperrt waren.
    Und sie hatten die alte Festung

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