Der Fluch der Hebamme
blutrot.
Entsetzte Stille lag über dem Saal.
Bis Albrecht sich Lukas zuwandte, der nur drei Schritte neben dem Leichnam seines Freundes kniete.
»Und nun zu Euch! Werdet Ihr mir völlige Unterwerfung schwören und das Silber in Freiberg mit Blut und Feuer für mich zusammentreiben?«
Lukas warf einen letzten, bedauernden Blick auf Marthe. Er hatte immer gehofft, wenn er starb, dann wenigstens bei einer heldenhaften Tat, um die Bewohner Freibergs zu retten. Da es ihm unmöglich war, diesen grausamen und ungerechtfertigten Befehl auszuführen, würde Albrecht ihn sicher an ein paar Kerle weitergeben, die keinerlei Gewissensbisse hatten, Freiberg bis aufs Letzte auszuplündern, und vielleicht sogar noch froh waren, dabei Beute machen zu können. Aber seine Verweigerung und seine Hinrichtung ohne Aussprache vor dem Landding könnten auch ein Aufbegehren in der Ritterschaft zur Folge haben. Dann hätte sein Sterben doch einen Sinn.
»Ihr fordert von mir den Bruch des Landfriedens und meines ritterlichen Eides, die Stadt zu schützen. Das werde ich nicht tun«, erwiderte er.
»Dann soll jedermann gleich zu Beginn meiner Regentschaft sehen, dass ich weder Verrat noch Befehlsverweigerung hinnehmen werde«, entschied Albrecht. Er reichte das blutige Schwert seinem Marschall und forderte ihn mit einer Geste auf, das Todesurteil an seinem Schwager zu vollstrecken.
Gerald zögerte.
Doch plötzlich zog Marthe alle Aufmerksamkeit auf sich, die von ihrem Platz aufstand, in die Mitte des Ganges trat und mit dem Finger auf Albrecht zeigte.
»Ich verfluche dich, Albrecht von Wettin!«, rief sie, so laut sie konnte. »Dein Samen soll verdorren, Zorn und Verachtung sollen sich über dich senken. Deine Getreuen sollen sich von dir abwenden, und sterben sollst du von fremder Hand, verhasst von Gott und allen Menschen! Deine Seele ist verdammt in alle Ewigkeit und wird niemals Erlösung finden!«
Nach einem Augenblick fassungslosen Schweigens brach ein gewaltiger Lärm aus, etliche der Gäste knieten nieder und sprachen hastig Gebete.
Ein solcher Fluch war schon eine furchtbare Sache, aber hieß es nicht, Marthe verfüge über Zauberkräfte? Hatte sich bei ihren Worten nicht sogar der Himmel verdunkelt, der durch die Fenster zu sehen war?
Immer noch stand Marthe völlig allein in der Mitte der Halle, niemand wagte es, sich ihr zu nähern, sogar die befohlene Hinrichtung ihres Mannes schien – zumindest für den Moment – vergessen.
Albrecht war bei ihren Worten zusammengezuckt. Nun schüttelte er sich, als könne er so sein Entsetzen über den Fluch abwerfen, und schrie: »Packt sie und stopft ihr den Mund, damit sie nicht noch mehr Unheil säen kann! Sofort! Sonst lasse ich euch alle köpfen!«
Zögernd traten ein paar der Wachen näher.
Rutger handelte schneller. Mit ein paar Schritten war er bei Marthe, zog seinen Lederhandschuh aus dem Gürtel und zwängte ihn ihr in den Mund, dann warf er sie auf die Knie, zog ihre Arme nach hinten und drückte sie nach oben, dass Marthe sich zusammenkrümmte, bis ihr Kopf den Boden berührte.
Liebste, was hast du getan?, dachte Lukas verzweifelt. Jetzt werden sie dich auch noch töten! Hilfesuchend sah er sich im Saal um, doch niemand schien eingreifen zu wollen.
Jetzt zog Rutger seinen Dolch und setzte ihn Marthe an die Kehle. Es kostete ihn keine Mühe, die zierliche Frau mit nur einer Hand weiter zu Boden zu zwingen.
»Ihr könnt die Hexe nicht töten, bevor sie den Fluch zurückgenommen hat!«, hielt Albrecht ihn zurück, vollkommen außer sich wirkend. »Aber wir werden sie dazu bringen! Werft sie ins Verlies! Ihr Stand wird aberkannt, sie ist ab jetzt nicht mehr wert als eine Magd oder Bettlerin. Eine Mark Silber für denjenigen, der sie dazu zwingt, den Fluch aufzuheben – ganz gleich, wie!«
»Das haben wir sofort«, mischte sich Elmar ein. »Kannst du mit ansehen, Weib, wie dein Mann stirbt?«
Als Marthe in ihrer erzwungenen demütigenden Haltung zusammenzuckte, lächelte er triumphierend.
»Aber so leicht machen wir es euch beiden nicht. Dein Mann wird keinen schnellen Tod sterben. Ihr kommt beide auf die Folter. Jeder von euch wird die Schreie des anderen hören können: der Verräter, wie eine Horde ausgehungerter Kerle seine Hure besteigt, und das Weib, wie wir ihrem Geliebten die Haut in Streifen schneiden, ihm die Finger aus den Gelenken reißen und ihn mit glühenden Eisen martern. Tag und Nacht sollst du es hören und nie vergessen, dass er deinetwegen
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