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Der Fluch der Hebamme

Titel: Der Fluch der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Immerhin, niemand kam, um sie zu foltern. Sie hatte den Umhang behalten dürfen und fror nicht mehr, sie bekam jeden Tag zu essen, manchmal sogar etwas Warmes, und sie konnte durch den schmalen Spalt die Wolken am Himmel sehen, mit etwas Glück sogar ein wenig Sonne oder den sternenübersäten Nachthimmel.
    Doch wozu?
    Nach dem ersten Besuch des Dompropstes waren mehrere Tage vergangen, bis er sich erneut bei ihr blicken ließ. Er musterte sie scharfäugig, ihre abgemagerte Gestalt, ihren dumpfen Blick, ihr verwahrlostes Äußeres mit Schmutz und Tränenspuren im Gesicht und Stroh im Haar und am Kleid.
    »Es fehlt dir an Gottvertrauen«, urteilte er hart. »Dein Nutzen für mich ist fragwürdig, wenn ich deine Jammergestalt sehe. Und
du
willst einem Fürsten Angst eingejagt haben?«
    Verächtlich drehte er sich um und ging zur Tür.
    »Ich traure um meinen Gemahl«, sagte sie leise; es war eher ein Krächzen. Sie hatte schon seit Tagen kein Wort mehr gesprochen.
    »Dann reiß dich zusammen, Weib, und bete für sein Seelenheil!«, erwiderte Dittrich von Kittlitz scharf und ging.
    Seine Worte wühlten etwas in ihr auf. Keine Hoffnung, denn es gab keine Hoffnung mehr in ihr. Natürlich hatte sie für das Seelenheil von Lukas und Reinhard gebetet, für das Leben ihrer Kinder. Stumme Gebete waren es gewesen, immer wieder durchbrochen von der Erinnerung an das Blut, das an jenem Tag auf dem Meißner Burgberg geflossen war, von Schreckensvisionen, in denen Thomas dem Tode nah durch eine Wüste wankte und Clara ihr Kind schutzlos auf nacktem Boden gebären musste.
    Doch nun stand sie auf und wusch sich mit einem Teil des für sie bestimmten Wassers das Gesicht, flocht ihren Zopf neu und zupfte die Strohhalme von Kleid und Schleier.
    Dittrich von Kittlitz würde sie nur leben lassen, wenn sie ihm für seine Zwecke nützlich war. Und dieser Zweck war eindeutig, Macht über Albrecht zu erlangen. Wenn sie ihm auch nur durch die winzigste Kleinigkeit helfen konnte, Albrecht zu zügeln, würde sie es tun, obwohl sie keinen Zweifel daran hegte, dass die Absichten des Dompropstes alles andere als edel und von christlicher Nächstenliebe bestimmt waren.
    Dazu waren sie und Lukas schließlich hiergeblieben, dazu hatten sie all diese Opfer auf sich genommen.
     
    So regelmäßig der Unbekannte Marthe das Essen und den Krug mit Wasser – manchmal auch mit dünnem Bier – durch den Türspalt schob, so unregelmäßig waren die Besuche des Propstes.
    Oft kam er sogar nachts, wenn sie schon schlief. Beim ersten seiner nächtlichen Besuche sprang sie auf, bedeckte ihren Leib mit dem Umhang und flüchtete sich an die hinterste Wand.
    Der alte Mann lächelte selbstzufrieden über ihre Furcht, diese ganz besondere Art Furcht vor Männern, die sie schon in jungen Jahren kennenlernen musste. Dann forderte er sie auf, vor ihm niederzuknien, und setzte sich selbst auf die grob gezimmerte Truhe, die vollkommen leer war. Ihr Inneres hatte Marthe gleich nach ihrer Ankunft vergeblich auf etwas Brauchbares für einen Fluchtversuch oder die Möglichkeit untersucht, jemandem eine Nachricht zukommen zu lassen.
    Marthe begriff, er wollte sie überrumpeln, ihr Angst einjagen und ihr Geheimnisse entlocken. Also verbrachte sie die Zeit zwischen seinen Besuchen damit, nachzugrübeln, wie sie seine Neugier an dem aufrechterhalten konnte, was sie über Albrecht wusste.
    Doch ihr war klar, ewig würde dieses Spiel nicht dauern. Dann würde der Geistliche sie entweder umbringen lassen, und sie könnte endlich mit Christian und Lukas vereint sein. Oder er würde sie kaltblütig an Albrecht ausliefern, und was dieser dann mit ihr anstellen würde, wollte sie sich lieber nicht ausmalen.
    So verstrich Woche um Woche. Und mit jedem Tag schwand ihr Lebenswille. Es war, als würde er niederbrennen wie eine Kerze. Nun war nur noch ein winziger Stumpen davon übrig, und der nächste Lufthauch würde den Docht endgültig zum Erlöschen bringen.

Wiedersehen
    E rneut rasselte das Schloss, und da es nicht die Zeit war, zu der der Unbekannte ihr das Essen brachte, setzte sich Marthe rasch auf und zog den Schleier zurecht. Kittlitz sollte nicht glauben, er habe sie gebrochen. Und falls er sie jetzt Albrecht ausliefern wollte, dann wollte sie diesen letzten Gang bis zu ihrem Tod mit so viel Würde antreten, wie es ihr möglich war, bis man sie dem Folterknecht übergab oder auf den Scheiterhaufen brachte.
    Doch es war nicht der Dompropst, der ihre Gefangenenkammer betrat, und

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