Shayne - der Verführer (German Edition)
1. KAPITEL
B liss Fortune sah nicht wie eine Juwelendiebin aus. Könnte man allerdings Diebe an ihrem Aussehen erkennen, wären sie bereits alle hinter Gittern gelandet und Shayne O’Malley wäre arbeitslos gewesen.
Er beobachtete die rothaarige Fremde schon seit einer Stunde, wie sie mit den reichen Teilnehmern dieser Party umging. Die Franzosen – und ganz besonders die Pariser – waren dafür bekannt, dass sie Ausländern reserviert gegenüberstanden. Bliss Fortune gelang es jedoch eindeutig, sowohl Männer als auch Frauen mit ihrem strahlenden Lächeln zu verzaubern.
Es war Frühling in Paris. Die grauen Wolken des Winters hatten sich verzogen, der kalte Aprilregen war überstanden. Jetzt blühten die Kastanienbäume, und die Pariser genossen die schönen Tage und sternklaren Nächte in Cafés, auf den Straßen und in den Parks.
Die Farbe der Saison war das klassische Schwarz, doch heute Abend hielten die Gäste sich nicht an diese Vorschrift. Die Damen trugen bunte Kleider, die mit den Blumen im Jardin du Luxembourg um die Wette leuchteten.
Die Party fand in einem luxuriösen Apartment in einem Haus aus dem siebzehnten Jahrhundert statt, das auf der Ile Saint-Louis stand, einer winzigen Insel in der Seine. Früher hatten auf der Insel die Rothschilds und Madame Pompadour gewohnt. Fast vierhundert Jahre später gehörte sie zu einer der begehrtesten Wohngegenden der Lichterstadt an der Seine.
Shayne schätzte, dass man von den Juwelen der Damen mühelos eine zweite Französische Revolution hätte finanzieren können. Gold, Diamanten und Perlen funkelten und schimmerten im Licht der Kristalllüster um die Wette. Keine Juwelendiebin konnte einer solchen Versuchung widerstehen.
Bliss Fortune trug ein ärmelloses weißes Seidenkleid mit tief angesetzter Taille. Es schmiegte sich um ihre Rundungen und enthüllte schlanke, wohlgeformte Beine. An ihren Ohren funkelten zwei herrliche Diamantstecker. Shayne hätte gern gewusst, aus welcher gestohlenen Halskette oder aus welchem Diadem sie stammten.
Seit zehn Tagen folgte er dieser Frau durch Paris. Sie schien genau das zu sein, was sie angeblich war – eine Antiquitätenhändlerin, die in regelmäßigen Abständen zum Einkaufen nach Paris kam. Vermutlich hatte sie mittlerweile alle Antiquitätenläden von Paris abgeklappert. Shayne war es ein Rätsel, wie sie tagsüber die Konkurrenz besuchen und abends noch so energiegeladen wirken konnte. Müde wurde diese Frau offenbar nie.
Es war höchste Zeit, ihre Bekanntschaft zu machen. Er nahm zwei Gläser Champagner von dem Tablett eines Kellners und ging auf sie zu.
Verdammt, verdammt, verdammt! Bliss konnte es einfach nicht glauben. In Paris fanden so viele Partys statt! Wieso musste diese Ratte von Exmann ausgerechnet auf dieser auftauchen?
Sie verkrampfte sich, als er die Unterhaltung mit einer attraktiven Brünetten abbrach und auf sie zukam.
“Hallo, Bliss!” Alan Fortune umarmte sie, als wäre das sein gutes Recht.
Bliss hielt sich steif wie eine Statue. Alan gab sie zwar sofort wieder frei, wich jedoch nicht von ihrer Seite. Sein umwerfend charmantes Lächeln hatte noch vor relativ kurzer Zeit ihr Herz zum Schmelzen gebracht.
“Du siehst wundervoll aus, Liebling.” Mit seinen dunklen Augen betrachtete er sie vom Scheitel bis zur Sohle.
Als er sich zu ihr beugte, als wollte er sie küssen, wich Bliss zwei Schritte zurück. “Du brauchst gar nicht so überrascht zu klingen.” Es freute sie, dass man ihr nicht anhörte, wie sehr sie sich über das Zusammentreffen ärgerte.
Er ignorierte ihren ironischen Ton wie damals ihren Wutausbruch, als sie ihn mit ihrer besten Freundin im Bett ertappte. Erst danach hatte sie erfahren, dass er sie schon mehrmals betrogen hatte, unter anderem bereits in den Flitterwochen.
“An dir haben schon immer billige Sachen elegant gewirkt.” Alan lächelte, als hätte sie nicht bei ihrem letzten Zusammentreffen eine Vase nach ihm geworfen.
Bliss überlegte gerade, wie sie von hier verschwinden konnte, ohne eine Szene zu machen, als sich das Problem von selbst löste. Eine hoch gewachsene Frau in einem Corsagenkleid, das sicher mehr als Bliss’ Wagen gekostet hatte, unterbrach das Gespräch.
“Alan, Schatz”, beklagte sie sich lächelnd, “ohne dich fühle ich mich schrecklich allein.”
“Ich habe dich noch nie allein gesehen, Monique”, erwiderte er lachend.
Monique war ein Supermodel und Liebling der internationalen Modeszene. Offenbar war sie momentan auch
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