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Der Fluch des Andvari (German Edition)

Der Fluch des Andvari (German Edition)

Titel: Der Fluch des Andvari (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas W. Krüger
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ein. Sie war Lektorin.
    „Ah, Frau Jenning“, sagte der Mann, der an der Zimmertür erschien. „Warum machen Sie nicht auch Feierabend? Es ist bereits fünf.“
    „Das ist nett von Ihnen, Herr Wittek“, gab sie lächelnd zurück. „Aber es sind nur noch wenige Seiten.“
    Er nickte. „In Ordnung. Schließen Sie die Tür ab, wenn Sie gehen.“
    „Das mache ich.“
    „Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.“
    „Danke. Das wünsche ich Ihnen auch, Herr Wittek.“
    Dann verließ er das Büro, die Tür fiel ins Schloss. Bernhardt Wittek war der Eigentümer des Verlages, den er zusammen mit seiner Tochter führte. Ein kleiner, aber sehr erfolgreicher Betrieb mit vier Mitarbeitern, die sich vor allem auf utopische Romane spezialisiert hatten. Aber auch Sachbücher und Lyrik zählten zum Angebot. Seit einem Dreivierteljahr arbeitete Hannah Jenning hier, seit sie aus Köln weggezogen war und mit Ehe und Beruf gebrochen hatte.
    Sie beeilte sich, das Lektorat abzuschließen. Es war ein viel versprechendes Manuskript, das sich mit der Nibelungensage beschäftigte. Fantasy-Stories und Science-Fiction hatten es Hannah schon seit ihrer Kindheit angetan. Sie hatte damals eine riesige Sammlung von Taschenbüchern bei ihren Eltern in Hamburg zusammengetragen. Heute verschlang ihre Tochter die Geschichten der vielen deutsch- und englisch-sprachigen Autoren.
    Es dauerte noch einige Minuten, bis Hannah ihre Arbeit beendet hatte. Sie schaltete den PC aus und packte ihren kleinen Rucksack. Heute verspürte sie keine Lust, Schwimmen zu gehen oder durch die Innenstadt zu bummeln, zumal ihre Freundin noch im Osterurlaub war. Hannah wollte nur nach Hause, ein warmes Bad nehmen und sich bei klassischer Musik und einem guten Buch entspannen.
    Seit langer Zeit konnte sie endlich wieder einige Abende ohne ihre Tochter genießen. Sie liebte Julia, doch als allein erziehende Mutter war es nicht leicht mit einem 11-jährigen Teenager. Noch waren Osterferien, so blieb Julia bei den Großeltern, während Hannah wieder arbeiten musste.
    Es war ein sonniger, aber kühler Apriltag. Der Frühling hielt nur zögerlich Einzug.
    Draußen, auf dem Gehsteig, hatte Hannah ihr Fahrrad abgestellt. Ihre Wohnung lag nur wenige Kilometer entfernt an der Zitadelle. Sie fuhr nicht gerne mit dem Auto und der Bus war um diese Jahreszeit auch nicht angenehm. So genoss sie den Weg durch den Park, an den Festungswällen vorbei, konnte ihre Gedanken schweifen lassen. Oft hatte sie darüber nachgedacht, ob es wirklich keine Feuer speienden Drachen gegeben hatte, keine Magier und Elfen, ob dies alles tatsächlich nur reine Fantasie war. Die Mythologien der Völker waren voll von diesen geheimnisvollen Wesen, die die Wissenschaft gänzlich ins Reich der Fabeln verwies. Ihr Blick erfasste Kinder, die mit einem Ball über die Wiese tollten. Nur sie konnten noch diese fantastisch anmutende Welt unvoreingenommen aufnehmen; sie gründeten ihre Träume darauf, ihre Spiele, unterschieden aber noch nicht so genau zwischen Gut und Böse.
    Endlich hatte Hannah die Ritterstraße erreicht. Die Häuser waren größtenteils im neoklassizistischen Stil erbaut worden und gut restauriert. Sie besaß eine geräumige 4-Zimmer-Wohnung im Dachgeschoss, denn sie mochte schräge Wände. Sehr warm in der Sommerzeit, aber behaglich.
    Rasch schloss sie die Wohnungstür auf. Sie warf den Schlüsselbund neben das Telefon in der Diele und zog ihre Stiefel aus. Für einen Moment streifte ihr Blick den Spiegel. Ein noch immer mädchenhaftes Gesicht, mit feinen Sommersprossen um die Nase, grünen Augen und nackenlangem, rotem Haar mit Ponyfransen auf der Stirn grinste sie an. Sie kannte ihre Wirkung auf Männer, doch derzeit hatte sie mit dem angeblich starken Geschlecht wenig im Sinn.
    Jetzt freute sie sich auf das warme Bad. Schnell entkorkte sie eine Flasche Zinfandel, ihren Lieblingswein, dann ließ sie Wasser in die Wanne laufen. Sie genoss das Plätschern, während sie einige Kerzen anzündete, die sie auf den Wannenrand und das Fensterbrett stellte. Mit der Hand prüfte sie die Temperatur des Wassers, bevor sie eine Wellness-Lotion aus Wildrosenmilch dazu goss. Dann legte sie eine Musik-CD in den Spieler: Klaviersonaten von Beethoven.
    Als sie schließlich entspannt in der Wanne lag, schweiften ihre Gedanken zu ihrer Tochter und ihrem Elternhaus in Hamburg, der großen herrschaftlichen Villa ihres Vaters. Ein gut behütetes Heim - vielleicht ein bisschen zu perfekt. Abrupt tauchten andere

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