Der Fluch des Andvari (German Edition)
dass Sie zur Elite Ihrer Fakultät gehören.“
Eifrig kommen die Studenten herbei und begutachten die Inschriften auf dem Steinsarg. Sie leuchten mit ihren Fackeln und machen sich Notizen auf ihren Schreibblöcken, sprechen leise miteinander, diskutieren.
Jetzt ist der große Moment gekommen. Professor Neumann braucht nur noch einen letzten Beweis. Dann würden Jahrzehnte unermüdlicher Forschung und Suche endlich belohnt werden. Er will sie finden, muss sie finden - die sagenumwobenen Burgunderherrscher von Worms, die die Historie als Nibelungen kennt. Ein unermesslicher Schatz soll sich in ihrer Obhut befunden haben, den Siegfried einst im Kampf gegen den Drachen Fafnir gewann. Siegfried - der kühne Held aus Xanten, der König Gunther durch Zauber die Ehe mit Brünhild brachte, der Herrin von Island, und für sich das Herz der schönen Kriemhild gewann, der Schwester Gunthers. Doch ihr Hochmut endete schließlich im Tod Siegfrieds und im Verlust des Horts, den Hagen von Tronje im Rhein versenkte - so erzählt die Sage. Aber es ist mehr als nur eine Sage, davon ist der Professor überzeugt. Vor zwei Jahren erstand er in Budapest einen Ring, von dem es heißt, es sei der Ring der Nibelungen, das letzte Kleinod, das Kriemhild von dem unermesslichen Schatz geblieben war. Dazu gehörte noch eine hölzerne Schatulle mit handschriftlichen Skripten in einer alten germanischen Sprache, die angeblich niemand mehr lesen konnte. Der Antiquitätenhändler in Budapest erinnerte sich nicht mehr, wie er an diese Artefakte gekommen war; er hielt alles nur für bloßen Aberglauben. Doch Neumann erkannte sofort die Bedeutung dieses Fundes. Lange hat er nach diesen Schriften gesucht, die - wie er von seinem Vater wusste - in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges verloren gegangen waren. Unverzagt hat er die Entzifferung der alten Papiere vorangetrieben und immer mehr Hinweise gefunden, die ihn letztendlich zu dieser Gruft führten.
„Hier … schauen Sie, Herr Professor“, sagt einer der Studenten.
„Es ist der Name einer weiblichen Würdenträgerin“, fügt ein anderer hinzu.
Neumann beugt sich hinunter, prüft den stark verwitterten Schriftzug im flackernden Schein seiner Fackel. „Hier ruht in Gott … Königin von … Gunther“, übersetzt er die lateinischen Wörter. „Der Name ist kaum mehr zu erkennen. Nur die letzte Silbe … hildis.“ Er fährt mit den Fingern über den Schriftzug. „Der erste Buchstabe könnte ein K sein.“
„Dann ist es Kriemhild“, frohlocken die Studenten, glauben sie doch, dem unermesslichen Schatz nahe zu sein.
„Hervorragende Arbeit!“, ertönt plötzlich die harte Stimme eines Mannes.
Erschrocken dreht Neumann sich um. Mehrere Männer mit Gewehren eilen in die Gruft. Ein großer Mann im schwarzen Ledermantel und einer Pistole in der Hand hebt sich von der Gruppe ab.
„Wolff“, stößt Neumann überrascht aus.
Der Hüne, der vor ihm steht, ist ein Grabjäger, jemand, der für Geld alles tut. Schon oft sind die beiden Männer aneinander geraten, haben sich ihre Schätze gegenseitig streitig gemacht.
„Wie ich sehe, haben Sie die verschollene Krypta der Nibelungen gefunden, Professor“, sagt der Hüne zufrieden.
„Was wollen Sie, Wolff?“, fragt Neumann und stellt sich schützend vor seine Studenten.
„Dasselbe wie Sie.“
„Da muss ich Sie leider enttäuschen, Wolff. Es sind weder die Nibelungen noch Kriemhild, die hier bestattet liegen.“
Der Hüne lacht auf. „Sie halten mich wohl für einen Narren. Aber das wissen wir gleich. Meier“, spricht er einen der Studenten an, „wessen Sarkophag ist das?“
Der Professor sieht den jungen Mann erstaunt an.
„Es ist Kriemhilds Grab, Herr Wolff“, antwortet dieser stolz.
„Das ist nicht bewiesen“, empört sich Neumann. „Und du … du Verräter.“ Er will auf den Studenten losgehen.
„Na, na“, unterbricht Wolff und droht mit seiner Pistole. „Wo ist Ihre Beherrschung, Professor?“
Und zu dem Studenten: „Gut gemacht, mein Junge. Jetzt öffne den Sarkophag.“
Schon beginnt der junge Mann, nach Schließmechanismen zu suchen.
„Halt! Was machen Sie da?“, ruft Neumann. „Erst müssen wir den Sarkophag …“
„Nichts müssen wir.“ Wolff droht erneut mit der Pistole. „Mach weiter, Junge.“
Meier findet kurz darauf Metallklammern, die den Deckel in seiner Position halten. Er löst sie und stemmt sich kraftvoll gegen die Steinplatte.
„Na los, Professor. Packen Sie mit an. Und die anderen
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