Der Fluch des Blutes
es auszusprechen, war sie kaum imstande. Und es zu tun? Nein. Niemals! Obwohl der Duft, der von dem Neugeborenen aufstieg, ihr betörend in die Nase drang. Blut klebte noch feucht auf der weichen Haut, und das Pochen des winzigen Herzens strahlte auf Liliths eigene Brust über .
»Verschwinde«, zischte sie der Vampirin zu.
Irritation stahl sich in Atitlas feine Züge, für einen Moment jedoch nur, dann wich der Ausdruck dem von Entschlossenheit.
»Nun gut«, sagte sie, »wenn du es nicht tun willst -«
Sie trat näher, nicht schleichend und lauernd diesmal, sondern rasch und festen Schrittes. Ihre Hände streckten sich nach dem nackten Bündel in Liliths Arm.
Doch bevor Lilith selbst das Kind dem Zugriff der Vampirin entziehen konnte, mischte sich ein anderer ein.
Bonampak.
Er drängte sich zwischen Lilith und Atitla und stieß die Tyrannin nach hinten. Sein Eingreifen erfolgte so überraschend, daß die Vampirin unter seinem Stoß taumelte und stürzte. Doch sie kam sofort wieder in die Höhe, und ihr Blick und Fauchen verhießen, daß es für Bonampaks Frevel nur eine Strafe geben konnte - Ihre Hand mutierte in der Bewegung des Hiebes, den sie nach dem Maya führte. Dolchartige Klauen rissen ihm die Wange auf, blutiges Rot mengte sich in die Bemalung seines Gesichts. Die Wucht des Schlages trieb Bonampak zur Seite. Der Schmerz ließ ihn aufstöhnen.
Zur Aufgabe indes war er nicht bereit. Er würde das Leben seines Kindes mit dem eigenen beschützen, in der wahnwitzigen Hoffnung, die Vampirin möge das Neugeborene verschonen, wenn sie sich an ihm selbst gütlich tun konnte.
Lilith durchschaute Bonampaks Plan mühelos. Und schalt ihn in Gedanken einen naiven Narren. Bonampaks Widerstand würde nur eines zur Folge haben: daß seine Familie auf grausame Weise dafür würde bezahlen müssen!
Wenn sie es nicht verhinderte.
Bonampak rappelte sich auf.
Atitla spannte sich zu einem Satz in seine Richtung.
Lilith sprang ihr in den Weg.
Ohne daß Kind loszulassen, trat sie nach der Vampirin. Der Tritt genügte, Atitla aus dem Konzept zu bringen. Mit einem Blick befahl Lilith den Maya in den hinteren Teil der Hütte; zugleich drückte sie ihm sein schreiendes Kind in den Arm.
Und dann stellte sie sich Atitla zum Kampf.
»Was hat das zu bedeuten?« fragte die Vampirin, verunsichert und wütend in einem. »Warum -?«
Lilith lächelte hart.
»Mir gefällt das Wort >Balg< nicht«, sagte sie leise. »Von ein paar anderen Dingen hier ganz zu schweigen.«
»So laufen die Dinge hier aber seit Anbeginn«, erwiderte Atitla. »Und du solltest nicht versuchen, sie zu ändern.«
»Ich wüßte nicht, was mich daran hindern sollte«, entgegnete Li-lith.
»Nun«, meinte Atitla gedehnt. »Ich zum Beispiel!«
»Wage es.«
»Jederzeit.«
Und damit stürzte die Vampirin Lilith entgegen!
*
Vielleicht hatte Atitla nie wirklich kämpfen müssen. Ihre Autorität und die Macht der Tyrannen Mayabs mochten diese Form der Auseinandersetzung nie erforderlich gemacht haben.
Lilith jedenfalls war angesichts des lausigen Kampfstils ihrer »Tochter« fast enttäuscht.
Woher sie selbst sich ihrer Haut beinahe mühelos zu erwehren wußte, entzog sich freilich ihrer Kenntnis. Andererseits konnte sie es zu den wenigen Puzzleteilen legen, die irgendwann einmal ein vollständiges Bild ihres früheren Lebens ergeben mochten.
Atitlas Attacken erfolgten kraftvoll, aber ungestüm. Den meisten ihrer Schläge vermochte Lilith auszuweichen, um im gleichen Zuge selbst Treffer anzubringen; wischte ein Hieb Atitlas über sie hinweg, stieß Lilith vor und ging regelrecht in ihre Gegnerin hinein.
Die bloße Gewalt des Kampfes trieb auch Liliths Körper in die Verwandlung, ohne ihr bewußtes Zutun. Ihre Fingernägel wurden zu Krallen, mit denen sie Atitla zusetzte, und die steigende Kraft ih-rer Muskeln verlieh ihren Schlägen genug Wucht, um die Vampirin zurückzutreiben.
Liliths eigene Verletzungen blieben dabei stets so gering, daß die Wunden sich umgehend wieder schlossen.
Dennoch schien ein Ende des Kampfes nicht absehbar. Die Kraft der Kontrahentinnen erschöpfte sich kaum, doch Lilith wollte einen Schlußstrich ziehen. Hastig sah sich nach einer solchen Möglichkeit um - und wurde fündig.
Zweimal ließ sie Atitla ins Leere laufen, dann warf sie sich ihr entgegen, brachte sie zu Fall, als sie die Vampirin dort hingetrieben hatte, wo sie ihren Plan umsetzen konnte.
Hart schlug Atitla zu Boden. Stinkender Atem wich pfeifend aus ihren
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