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Der Fluch des Volkstribuns

Der Fluch des Volkstribuns

Titel: Der Fluch des Volkstribuns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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heraushob?«
    »Leider nicht«, erwiderte ich. »Er war ein ziemlich gewöhnlich aussehender Mann. Genau wie Silvius, von dem ich mir ziemlich sicher bin, daß er Ateius begleitet hat. Die berühmte Robe hatte er in einen Sack gestopft.«
    »Ich nehme an, es ist einen Versuch wert«, meinte Julia.
    »Es ist nicht nur die Information, die ich dort suche«, sagte ich.
    »Wie meinst du das?«
    »Es ist mehr - ich möchte in seinen Kopf eindringen.
    Vielleicht kann ich, indem ich seine Schritte nach voll ziehe, ein Gefühl dafür entwickeln, was er gedacht hat und wohin er von dort aus gegangen sein könnte.«
    »Na ja, ich habe schon immer gewußt, daß dein Verstand nicht so funktioniert wie der normaler Menschen«, meinte sie.
    »Und ich habe gewußt, daß du mich verstehen würdest.« Ich stand auf. »Ich sollte jetzt besser los. Wenn ich nichts herausfinde, kann ich mir vielleicht noch immer ein schnelles Pferd organisieren. Mit ein bißchen Glück erreiche ich das transalpinische Gallien, bevor die Pässe zuschneien.«
    »Sei nicht albern«, sagte sie und umarmte mich herzlich.
    »Wenn du mit einer Schande nicht leben kannst, hast du in der römischen Politik nichts zu suchen. Große Männer müssen mit weit schlimmeren Dingen leben als einer erfolglosen Mordermittlung.«
    »Zumindest weiß ich, wo ich immer Trost finden werde«, sagte ich liebevoll.
    »Kommst du zum Mittagessen nach Hause?« fragte sie.
    »Ich würde nicht darauf zählen. Wenn ich auch nur auf eine vage Spur stoße, werde ich sie verfolgen, bis ich vor Entkräftung umfalle.«
    »Sei vorsichtig, Decius«, ermahnte sie mich.
    »Bin ich das nicht immer?« erwiderte ich. Sie verdrehte die Augen gen Himmel, und ich brach auf.
    »Komm mit, Hermes«, sagte ich. »Wir gehen in den TransTiber-Distrikt.«
    »Dorthin wollte ich sowieso gerade gehen«, erklärte er. »Es ist Zeit für meine morgendliche Unterrichtsstunde.« Als ob er eine Wahl gehabt hätte. Ich habe nie einen Sklaven gekannt, der so entschlossen war, so zu tun, als ob er das, was ich befahl, ohnehin hatte tun wollen. Unverschämtheit hat viele Gesichter.
    Ich mied das Forum, wo ich unweigerlich viele Freunde und Bekannte treffen und gezwungen sein würde, mit ihnen zu plaudern, was mich wertvolle Zeit kosten würde. Statt dessen folgten wir den Straßen durch die Viertel östlich des Forums, wobei wir uns durch den dichten Morgenverkehr drängten und nach Möglichkeit dem Unrat auswichen, der von den Balkonen gekippt wurde.
    Als wir den Fluß erreichten, bemerkte ich, daß die Uferbefestigungen landwärts der Werften dringend renovierungsbedürftig waren, und ich nahm mir vor, mich darum zu kümmern, sobald ich mein Amt angetreten hatte. Jetzt, da ich wußte, daß ein Hochwasser bevorstand, mußte ich dieser Maßnahme oberste Priorität einräumen. Ich fragte mich, ob sich in den letzten zehn Jahren irgend jemand um den Erhalt der Stadt gekümmert hatte. Wahrscheinlich nicht. Die großen Männer errichteten immer nur grandiose Theater und inszenierten Spektakel, während sie die eigentliche Arbeit armen Malochern wie mir überließen.
    Die Tagesfischer standen schon auf der Brücke aufgereiht wie Möwen auf einer Schiffsreling. Auch die Bettler waren schon bei der Arbeit. Als ich näher kam, erkannten diejenigen unter ihnen, die sehen konnten, den feinen Stoff meiner Toga. Wie ein Mann wieselten sie auf mich zu, die Hände ausgestreckt, sofern sie welche hatten.
    Auch ich hob die Hand, um sie zurück zuweisen. »Ich bin der Judex Metellus. Wer von euch ist der Oberbettler?«
    Eine wahrhaft erbarmungswürdige Kreatur trat vor. »Ich, Senator.« Eine namenlose Krankheit hatte seine linke Gesichtshälfte verfaulen lassen, obwohl er eigentlich recht deutlich sprach, wenn man bedachte, daß er nur einen halben Mund hatte. Er trug Lumpen voller Ungeziefer und humpelte auf eine Krücke gestützt, weil sein linkes Bein unterhalb des Knies fehlte. Mit der linken Hand hielt er die Krücke, während er mit den drei verbliebenen Fingern eine hölzerne Schüssel ausstreckte.
    »Du bist Mallius, stimmt's? Du hast früher am Quirinalischen Stadttor gebettelt.«
    »Das ist richtig«, sagte er.
    »Und was hat dich auf diese Brücke verschlagen?«
    »Die Gilde hat mich befördert«, erklärte er stolz.
    »Tatsächlich?« sagte ich fasziniert. »Du meinst, wie in der Legion? Wie wird man denn befördert? Bist du besser als andere Bettler?«
    »Es ist eine Frage des Dienstalters, Senator«, erläuterte

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