Der Fluch des Volkstribuns
später erschien Lisas.
»Senator Metellus und Praetor Milo! Welch unerwartete Freude!« Er bemühte sich nach Kräften, doch trotz all seiner diplomatischen Fertigkeiten konnte er die Leichenblässe in seinem Gesicht nicht überspielen. Und die war nicht allein seinem fortschreitenden Verfall zu zu schreiben. »Was führt euch...«
Ich drängte an ihm vorbei. »Wir reden gleich.« Gefolgt von Milo und seinen Liktoren, betrat ich einen der Seitenhöfe. Am Krokodilteich ließ ich meinen Blick über die trägen Tiere wandern, die sich seit meinem letzten Besuch an dem Abend, als der vermeintliche Leichnam Ateius' gefunden wurde, nicht bewegt zu haben schienen. Ich ging um das Becken herum, bis ich das Tier entdeckte, auf das mich Julia an jenem Abend aufmerksam gemacht hatte. Es hatte noch immer den Golddraht um einen Fangzahn im Oberkiefer gewickelt. »Das ist es«, sagte ich.
Milo legte seine purpurgestreifte Toga ab und warf sie einem Liktor zu. Dann stieg er furchtlos über das Geländer in das knöcheltiefe Wasser am Rand des Teiches.
»Praetor!« krächzte Lisas, außer sich vor Angst. »Das sind wilde Tiere! Sie werden...«
Doch Milo beachtete ihn nicht. Mit einer Hand hielt er der Bestie das Maul zu, während er den anderen Arm direkt hinter den Vorderbeinen um ihren Körper schlang und sie hochhob. Es schien ihn kaum mehr Kraft zu kosten, als es die meisten anderen Männer gekostet hätte, einen großen Hund zu tragen.
Das Tier zappelte ein wenig, doch das kühle Novemberwetter schien es deutlich gedämpft zu haben.
Milo schleppte das Tier zum Rand des Beckens; ich griff nach dem golden glitzernden Draht und löste ihn langsam von dem Zahn. An seinem Ende hing ein Knäuel schwarzer und purpurner Fäden. Als ich fertig war, warf Milo das Riesenviech wieder ins Becken, wo es mit einem trägen Schwanzschlag untertauchte.
Lisas machte keine Ausflüchte, als Milo aus dem Becken stieg und seine Toga wieder überstreifte. »Laßt uns hinein gehen«, sagte ich.
In dem großen Audienzraum nahm Lisas Platz. »Wie können wir diese Angelegenheit lösen?« fragte er nervös.
»Mein fetter alter Freund«, sagte ich traurig. »Wenn dir dein Leben lieb ist, solltest du besser schnell und vollständig auspacken.«
»Oh«, hauchte er und lächelte beinahe, »so lieb ist mir mein Leben dieser Tage nicht mehr.« Er tat einen tiefen Seufzer, vergrub sein Gesicht in den Händen und richtete sich dann auf.
»Doch ich muß nach wie vor meinem König dienen. Was wollt ihr von mir?«
»Die Männer, die du in deiner Villa versteckt hältst«, sagte Milo. »Ateius und Silvius. Sie müssen vor Gericht gestellt werden.«
»Meine Freunde«, sagte Lisas, »dies ist eine Botschaft. Ich bin vertraglich nicht verpflichtet, euch irgend jemanden auszuliefern. Wir befinden uns auf ägyptischem Boden.«
»Es geht nicht nur um eine öffentliche Peinlichkeit, Lisas«, erklärte ich ihm. »Seit drei Jahren besteht eine heimliche Absprache zwischen dir und Ateius Capito; seit damals steht er in König Ptolemaios' Diensten.« Lisas schwieg, also sprach ich weiter. »Als er Ptolemaios im Namen von Aemilius Scaurus um >Spenden< anging und erfuhr, wieviel Geld Ptolemaios unter die Leute zu bringen hatte, deutete er an, daß er unter Umständen bereit wäre, Ptolemaios'Agent zu werden. Was hat Ptolemaios ihm gekauft? Eine Villa am Stadtrand von Alexandria? Ein großes Anwesen im Nildelta mit Hunderten von Bauern, die für ihn die Arbeit erledigen?« Lisas sagte noch immer nichts.
»Es gab etwas, das Ptolemaios wichtiger war als alles andere.
Er wollte verhindern, daß Crassus den Oberbefehl in Syrien bekam. Als Ptolemaios hier in Rom war, hat ihn Crassus öffentlich gedemütigt, indem er diese gefälschte Deutung der Sibyllinischen Bücher aus dem Ärmel zog. Ptolemaios wußte, daß Crassus gieriger war als alle anderen Römer. Mit Pompeius konnte er umgehen und mit Caesar auch. Aber mit Crassus konnte und wollte er nicht verhandeln.«
Lisas wahrte sein Schweigen.
»Doch alle Bemühungen von Ateius Capito und seinen Verbündeten waren vergeblich. Egal, wie viele Stimmen er mit Ptolemaios' Geld kaufen konnte, Crassus konnte noch mehr kaufen. Wenn Ptolemaios Gabinius nicht so viel Geld für seine Wiedereinsetzung hätte zahlen müssen, hätte er es vielleicht geschafft, aber es sollte nicht sein. Obwohl ich zugeben muß, daß der Fluch ein hervorragender Trick war. Er hat Crassus den letzten Rest an Unterstützung geraubt, den er in Rom
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