Der Fluch vom Valle della Luna
eklatanter sind die im letzten Jahr bar abgehobenen Beträge von je fünfzigtausend Euro, von denen man jedoch nicht weiß, wo sie geblieben sind, sowie die letzte, riesige Spende. Wirklich schade, dass unser Hauptzeuge zu seinem ›Sponsor‹ ins Jenseits gegangen ist und auf unsere Fragen nicht mehr antworten kann. Weißt du, an was mich diese monatliche Überweisung noch denken lässt? An Unterhaltszahlungen«, schließt Tano, der sich als geschiedener Vater dreier Kinder mit Alimenten bestens auskennt. Nelly macht dieser x-te Stillstand ihrer Ermittlung fast verrückt. Dennoch spürt sie, dass sie auf der richtigen Spur sind und die Lösung näher rückt.
XXII
Die Karten ihrer ganz persönlichen Patience könnten auf wundersame Weise aufgehen, denkt Nelly, doch ihr Herz bebt, als sie an der Tür von Silvana Mantero in Rapallo klingelt. Ein paar Häuser mit Garten zeugen davon, dass die Straße früher einmal am Ortsrand lag, doch inzwischen sind ringsherum große, hässliche Mietskasernen emporgewachsen, wie sie in den Vororten jeder Großstadt stehen. Signora Mantero wohnt im dritten Stock eines der kleinen Häuschen. Als Nelly sie angerufen hat, war sie sofort bereit, sie zu treffen. Sie wirkte nervös, fast verängstigt.
Es dauert nicht lang, und eine Frauenstimme fragt, wer dort ist. Als Nelly es ihr sagt, hört man das Geräusch von Ketten und Sicherheitsschlössern. Signora Mantero hat sich in ihrer Wohnung regelrecht verschanzt. Sie öffnet, lässt Nelly herein und verriegelt die Tür sofort wieder. Sie zittert merklich. Die Fensterläden sind geschlossen. Sie führt Nelly in die Wohnküche und drückt argwöhnisch den unteren Flügel eines Fensterladens auf. Dann setzt sie sich so hin, dass man sie von außen nicht sehen kann.
»Ich ermittle im Mordfall des Regisseurs Alceo Pisu und in der Entführung seiner Schwester Marilena Pizzi. Während der Ermittlungen sind wir auf Ihren Namen gestoßen, weil Sie mit Maria Grazia, der Schwester der beiden, befreundet sind. Nun habe ich eine Mitarbeiterliste der von Attilio Sanmarco gegründeten Stiftung Futuro in die Hände bekommen, der kürzlich durch einen Unfall ums Leben gekommen ist, und ...«
Sie merkt, dass die Frau noch immer zittert, ihr Blick jagt gehetzt durchs Zimmer, und sie scheint kaum zuzuhören.
»Bedrückt Sie etwas? Haben Sie vor irgendetwas oder irgendjemandem Angst, Signora Mantero?«
»Natürlich habe ich Angst. Ich traue mich kaum mehr aus dem Haus. Gestern in aller Frühe hat man versucht, mich umzubringen, mich zu überfahren. Ich habe mich um ein Haar retten können.« Sie starrt Nelly mit weit aufgerissenen Augen an.
»Wenn ich rede, stellen Sie mich dann unter polizeilichen Schutz? Schützen Sie mich?«
Nelly mustert die große, kräftige Mittfünfzigerin, die Magraja als ihre enge Freundin ausgegeben und bei der sie angeblich übernachtet hatte, als sie zu Marilenas Verärgerung abends einmal nicht nach Hause gekommen war, und die sich nun auch noch als langjährige Mitarbeiterin Sanmarcos herausgestellt hat.
»Wer hat versucht Sie umzubringen, Signora Mantero? Und weshalb?«
»Schauen Sie, als ich in der Zeitung gelesen habe, dass der Dottore tot ist, war mir alles klar. Ich wusste, dass ich an der Reihe bin. Wenn Sie mich nicht angerufen hätten, hätte ich vielleicht von mir aus die Polizei kontaktiert. Besser im Knast als unter der Erde. Ich erzähle Ihnen die ganze Geschichte, aber Sie müssen mich unter Schutz stellen, einverstanden? Ich will nicht enden wie Sanmarco und die anderen ...«
»Welche anderen? Und wieso sollten Sie enden wie Dottor Sanmarco? Es ist ein Unfall gewesen, bislang gibt es noch keine Beweise für einen Mord.«
Die Frau starrt sie kopfschüttelnd an.
»Der war keiner, der einfach im Wald ausrutscht und stirbt. Der ist kaltgemacht worden, Beweise hin oder her. Und den Grund, weshalb ich genauso enden sollte wie er, haben Sie bereits genannt. Ich habe zwanzig Jahre als Hebamme für ihn gearbeitet. Ich weiß zu viel.«
Magraja öffnete die Tür. Nelly erkundigte sich nach ihrem Befinden, doch die Frage war überflüssig. Seit Nelly sie das erste Mal zu Gesicht bekommen hatte, eine von der Häme der Geschwister gebeugte Hausangestellte aus einer anderen Zeit, schien sie sich vollkommen gewandelt zu haben. Sie trug ein leichtes, lavendelfarbenes Kleid. Endlich war es wärmer geworden, wenn auch nicht so, wie man es zu dieser Jahreszeit gewohnt war. Magraja lächelte nicht, schien jedoch
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