Der Fluch vom Valle della Luna
Aber das hat Ihnen dann irgendwann nicht mehr gereicht, und Sie haben angefangen zu morden. Der Erste ist Giacomo gewesen ...«
»Wieso sind Sie allein gekommen, Nelly? Wieso nicht mit jaulenden Sirenen, um mich festzunehmen, wenn Sie das wirklich glauben?«
»Weil diese Drecksnutte vielleicht ’ne Wanze bei sich hat und dich zum Reden bringen will, ist es nicht so, Dottoressa?«
Das sind die letzten Worte, die sie hört, ehe ein Schlag auf den Kopf ihr die Sinne raubt.
Der Schlag war nicht besonders heftig. Nelly kommt nach zehn Minuten wieder zu sich, doch ihr Kopf brummt, als hätte ein Wespenschwarm sich darin eingenistet. Sie öffnet die Augen, sie liegt bäuchlings auf dem Sofa, die Hände hinter dem Rücken gefesselt, die Füße ebenfalls. Das Zimmer ist leer, sie haben sich noch nicht einmal die Mühe gemacht, sie zu knebeln. Sie hört Stimmen im Flur. Schritte, die hin und her eilen. Sie kann die Worte nicht verstehen. Dann schnappt sie ein »ist doch egal« auf. »Bis die gefunden wird, sind wir längst über alle Berge. Wenn sie überhaupt gefunden wird. Die Keller hier unten sind echte Verliese.« Eine Männerstimme. Severo kommt herein. Er trägt eine Art Arbeitsoverall und macht ein entschlossenes Gesicht. Hinter ihm erscheint Magraja, sie wirkt ziemlich besorgt.
»Severino, wir müssen verschwinden. Die werden wissen, dass sie hier ist, und bald haben wir sie auf der Pelle. Lass gut sein, es ist zu gefährlich, lass uns sofort gehen.«
»Ja, Severo, wieso hören Sie nicht auf Ihre Mutter? Mich umzubringen, würde eure Lage nur noch verschlimmern, wenn ihr für eure Verbrechen geradestehen müsst.«
Der junge Mann sieht sie an, als wäre sie eine Schabe. Wie bei ihrer ersten Begegnung in der Villa, nein, schlimmer. Nelly erschaudert.
»Immer verteidigt ihr widerlichen Bullen die Verbrecher und macht die Opfer fertig. Du Drecksau, weißt du eigentlich, was sie meiner Mutter angetan haben? Klar weißt du das, und du redest von Verbrechen. Nach all dem, was Giacomo bereits in Sardinien angerichtet hat? Und da sind wir die Verbrecher? Die hatten es nicht verdient zu leben, keiner von denen. Giacomo wollte mich umbringen, an jenem Abend auf dem Corso Italia, wusstest du das? Er hatte ein Messer in der Tasche, das geht sogar aus den Protokollen hervor. Aber ich hatte damit gerechnet. Ich war bereit und bin ihm zuvorgekommen. Dieser Bastard war einfach zu gefährlich, ich wusste, dass er sich nicht lange erpressen lassen würde.«
»Auch das mit Anselmo ist kein Unfall gewesen, stimmt’s?«
»Severino, mach, was du willst, aber schnell. Wir haben keine Zeit für ein Schwätzchen.«
»Ach kommen Sie, Magraja, gönnen Sie mir diese Genugtuung, wenn ich schon sterben muss. Ich will die Patience zu Ende bringen.«
»Die Patience? Wovon redet die?«
Magraja zuckt die Achseln. Nelly lässt nicht locker.
»Bei keinem hat es sich um einen Unfall gehandelt, stimmt’s? Weder bei Anselmo noch bei Dottor Sanmarco. Und Gioia ... Die haben Sie umgebracht, Severo, um Giancarlo ins Netz gehen zu lassen.«
Der Junge lacht. Er scheint stolz auf sich zu sein.
»Das mit Gioia Innocenti musste leider sein, um Giancarlo aus dem Weg zu räumen. Eine Laune von mir, eigentlich hatte er nichts mit der Sache zu tun. Aber er war ein Pisu. Und mit diesem dämlichen Möchtegerndetektiv De Magistris, der versucht hat herumzuschnüffeln, habe ich mir einen Spaß gemacht. Immerhin war er ein Sogos, und diese Unmenschen haben meine Mutter als Kind entführt. Ich wollte ihn schon in Sardinien kaltmachen, aber dann habe ich ihm nur die Schlüssel und die Papiere weggenommen, und die Fotos der Großmutter. Ihm Marilenas Entführung unterzuschieben war einfach genial, finden Sie nicht? Mamas Idee.« Er zwinkert Magraja zu. Nelly spürt, dass die Zeit abläuft.
»Und wo ist Marilena?«
Severo feixt.
»Wie ich sie kenne, in der Hölle. Diese Nutte verdächtigte meine Mutter, aber das hat ihr nicht viel genützt.« Er kommt mit einem Nylonseil in den Händen auf sie zu. Scheiße, die Zeit ist um. Worauf warten diese Idioten noch? Severo kniet sich vor das Sofa, bereit, ihr die Schlinge um den Hals zu legen, und Nelly hat ein Déjà-vu. Letzten Sommer wollte Simba sie mit einer Kette erwürgen. Sie windet sich schreiend und versucht, ihn von seinem Vorhaben abzuhalten. Sie brüllt verzweifelt, der Mann versucht ihr den Mund zuzuhalten. Sie beißt ihn, er verpasst ihr eine Ohrfeige.
»Tano, verdammt, worauf wartet ihr. Marco
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