Der Fluch von Colonsay
kümmern, Kerry. Ich weiß das wirklich zu schätzen.«
Kerry drehte sich wieder um und sah überrascht aus. »Kein Problem! Ihr Mann hat mich angestellt, damit während der Bauarbeiten jemand in der Nähe ist.«
»Sie sind doch zu Ihrer Schwester gezogen, nachdem meine Großmutter starb?«
Kerry blickte zur Seite, verzog das Gesicht. Rosamund spürte, dass sie für die Stelle als Colonsays Hauswirtschafterin während der Renovierung dankbarer war, als sie zugeben wollte.
»Meine Schwester lebt gern allein«, sagte Kerry schließlich. »Und ich kümmere mich lieber um Leute. Sind Sie sicher, dass Ihnen das recht ist, Mrs Markovic?«
»Bitte sagen Sie doch Rosamund zu mir. Und wissen Sie was? Ich glaube, mir ist das alles sehr recht.«
»Es hat mir wirklich wehgetan, dass das Haus so heruntergekommen ist. Aber Mrs Ada wollte es auf keinen Fall verkaufen. Deswegen bin ich sehr froh darüber, dass Sie und Mr Markovic hier leben werden.«
Rosamund blickte an ihr vorbei und fuhr sich noch einmal halbherzig durchs Haar. Der Flur befand sich in einem desolaten Zustand. Die Tapeten lösten sich, überall waren Flecken, über deren Herkunft man lieber nicht nachdachte. Der Läufer sah so abgetreten aus, dass die blanken Bodendielen durchschienen. Bei dem Buntglasfenster am Ende des Gangs waren einige Scheiben zerbrochen, und es hatte hereingeregnet.
»Wie lange bin ich eigentlich nicht mehr hier gewesen?« Die Frage hatte sich Rosamund eher selbst gestellt. Trotzdem antwortete Kerry sofort.
»Achtzehn Jahre.«
Rosamund ignorierte den leisen Vorwurf, der in der Antwort mitschwang. Ihre Gedanken wanderten zurück zu jenem Tag vor achtzehn Jahren, an dem sie Colonsay verlassen hatte. Wie alt war sie damals gewesen? Siebzehn, fast achtzehn? Sie hatte gerade angefangen, ihr eigenes Leben zu leben und sich eine Karriere aufzubauen, aber Ada Cunningham hatte sich geweigert, das zur Kenntnis zu nehmen. Sie hatten heftig gestritten, mit unwiderruflichem Ausgang. Das war Rosamunds einziger Akt der Rebellion gewesen, bis zum heutigen Tag hatte sie kein zweites Mal den Mut dazu gefunden. Nach dem Streit hatte sie Colonsay endgültig verlassen.
Ada war allein mit Kerry zurückgeblieben. Körper und Geist wurden mit der Zeit schwächer, und schließlich bewohnte sie nur noch ein paar Zimmer im Ostflügel. Der Rest des Hauses wurde nicht mehr genutzt. Als sie letztes Jahr gestorben war, war Ada 102 Jahre alt gewesen und hatte Rosamund das Haus vererbt.
Als sie von dem Erbe erfahren hatte, war Rosamund zuerst nicht sicher gewesen, ob sie sich ärgern oder freuen sollte. Ihr war klar, dass Ada sie am liebsten enterbt hätte. Doch es waren die Blutsbande, die zählten. Rosamund war die letzte Cunningham. Das Haus, beziehungsweise das, was davon noch übrig war, gehörte ihr. Zusätzliches Vermögen für Unterhalt oder Restauration gab es nicht.
»Verkauf es oder mach es platt! Mir ist es egal«, war Rosamunds erste Reaktion gewesen.
Doch Mark reagierte total entsetzt. Eine natürliche Regung für einen Mann, der aus armen Verhältnissen kam und kostbare Anschaffungen hütete wie die spanischen Eroberer das Gold der Inka. Er fuhr also los, um sich Colonsay anzusehen. Rosamund hatte sich glattweg geweigert, ihn zu begleiten.
Sie traf sich an jenem Freitagabend lieber mit alten Freunden auf einer Party. Es gab viel zu erzählen, und es war Sonntag, als sie wieder nach Hause kam. Mark wartete auf sie, ruhig und präsent wie immer. Manchmal machte er ihr Angst.
»Es wird Zeit, dass du erwachsen wirst, Rose.« Es gab deutliche Warnsignale in seinem Tonfall und seinem Gesichtsausdruck. Diesmal war sie anscheinend zu weit gegangen. Die Aussicht erschreckte und erfreute sie gleichzeitig. Fast schien es ihr, als würde sie auf etwas warten, und wüsste nicht, was das sein könnte.
Mark hatte ihr klipp und klar erklärt, dass er Colonsay behalten wollte. Es erfüllte seinen Traum von dem Familiensitz, den er nie gehabt hatte: nicht irgendein Gebäude, sondern ein Herrenhaus mit langer Tradition und Geschichte. Die Cunninghams hatten als Erste die Halbinsel Bellarine besiedelt und später an der Bildung des australischen Staatenbunds mitgewirkt. Und er, Mark Markovic, war der neue Herr von Colonsay.
Rosamund hatte nicht die Kraft gehabt, ihm ins Gesicht zu lachen. Abgesehen davon, verstand sie ihn auch. Als er ihr die Aufsicht über die Bau- und Restaurierungsarbeiten übertragen hatte, hatte sie nur mit dem Kopf genickt. Und dann hatte
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