Der Fluss
gerötet und verbrannt.
Ach, seufzte Brian. Wenn Derek schon nicht trinken konnte, sollte er wenigstens versuchen, ihm etwas Küh lung zu bringen. Vielleicht half es ein bisschen.
Also streifte er sein T-Shirt ab, tauchte es ins Wasser und fuhr damit – wie mit einem nassen Waschlappen – über Dereks Gesicht und seinen nackten Hals.
Immer wieder nutzte er die Pausen, um Dereks Haut mit Wasser zu kühlen.
Das Schicksal hatte sie beide zusammengekettet, aber wie schnell konnte sich alles verändern! Von einer Se kunde zur andern war aus dem lebendigen Menschen, der Derek gewesen war – so voller Lebenskraft und strah lender Energie – , ein lebloses Bündel geworden, fast eine leere Körperhülle.
Und doch ging von seinem stillen Gesicht eine selt same Kraft aus. Das Leben selbst, das ihn noch nicht ver lassen hatte, war unbesiegbar.
Unzerstörbar.
Auch jetzt, während Derek im schwindenden Licht des Abends auf den Floßbalken ruhte und seine Brust sich mit flachen Atemzügen hob und senkte, schien es, als könne Derek jeden Moment aus seiner Ohnmacht erwa chen.
Hingestreckt lag er da. Brian erinnerte sich an das Wort, das er einmal in einem Buch über den amerikani schen Bürgerkrieg gelesen hatte: »Niedergemäht vom Gewehrfeuer …«, hatte der Verfasser geschrieben.
Ja, so sah Derek jetzt aus. Niedergemäht. Brian biss sich verzweifelt auf die Lippen.
Wie konnte so etwas geschehen? Im Bruchteil einer Sekunde war ein Mensch aus der Fülle des Lebens geris sen worden.
Noch einmal tauchte Brian sein T-Shirt ins Wasser, drückte es aus und fuhr damit sanft über Dereks Gesicht. Das Floß war weitergeschwommen, die Ruhepause war vorbei – und als Brian aufblickte, sah er, dass sie sich der nächsten Flussbiegung näherten.
Rasch zog er sein nasses Hemd wieder an, packte das Paddel mit beiden Händen und schaufelte Wasser hinter dem Heck beiseite, bis das Floß langsam in die Mitte der Strömung schwenkte.
Die Dämmerung war angebrochen – und bald würde es dunkel werden. Aber dies zählte nicht, dachte Brian. Seine Hände waren blutig und aufgerissen vom rauhen Holz des Paddels – aber auch dies zählte nicht.
Das einzige, was jetzt zählte, war die Fahrt auf dem Fluss.
18
18
In dieser ersten Nacht auf dem schwankenden Floß lernte Brian etwas über sich selbst. Und es war nicht schön, was er da lernen musste.
Seit sechsunddreißig Stunden hatte er nicht geschla fen. In der ersten Nacht, nach dem Unwetter, hatte er kniend an Dereks Bett gewacht und gegrübelt: Warum nur, warum konnte es passieren? Dann hatte er den gan zen Tag gearbeitet, er hatte Bäume zum See geschleppt, das Floß gebaut und es auf den Weg gebracht. Jetzt war die Sonne untergegangen, Dunkelheit lag über dem Fluss wie dichte schwarze Watte und Brian konnte sich kaum noch aufrecht halten. Schlafen, nur schlafen …
Der Mond stand als schmale Sichel am Himmel, in seinem schwachen Licht waren die Ufer kaum zu erken nen. Wenigstens konnte Brian sehen, ob er sich in der Mitte der Strömung befand.
Jedesmal, wenn er blinzelte, fiel es ihm schwerer, die Augen wieder zu öffnen. Es kostete Anstrengung, die Augenlider nach oben zu ziehen.
Anfangs halfen ihm die Moskitos, nicht einzuschlafen. In dichten Wolken schwärmten sie mit Anbruch der Dunkelheit heran und Brian fuchtelte immer wieder mit den Armen, um sie von seinem Gesicht und auch von Derek zu verscheuchen. Aber es war, als kämpfte er gegen Rauch. Kaum ließ er die Hand sinken, schlug der Mückenschwarm wieder über ihm zusammen, und nach einer Weile gab er es auf, sich zu wehren. Geduldig ließ er sich von den Moskitos stechen und paddelte weiter.
Aber immer wieder überwältigte ihn der Schlaf. Seine Arme sanken herab und das Paddel fiel klappernd auf die Balken. Dann schüttelte Brian den Kopf, riss sich hoch und tauchte das Paddel erneut ins Wasser – rechtzeitig, um durch die nächste Flussbiegung zu steuern.
So kämpfte er stundenlang. Bis auch dies nichts mehr nutzte und ihm – irgendwann in der Nacht – die Augen endgültig zufielen.
Brian träumte und im Schlaf vermischten sich Traum bild und Wirklichkeit.
Er sah seine Mutter. Sie saß vorne am Bug des Floßes und schaute ihn freundlich an.
»Ist gut«, sagte sie. »Du darfst dich fallen lassen. Ist schon gut.« Ihre Stimme klang so sanft und so tröstlich, dass Brian wirklich den Wunsch hatte, sich fallen zu las sen. Er wollte nicht mehr hier auf dem Fluss sein – nicht einmal mehr im Traum.
Er
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