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Der Fluss

Der Fluss

Titel: Der Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Paulsen
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Grund, warum er das Floß gebaut hatte. Er musste Derek zum Floß bringen und ihn hinaufheben, ohne ihn zu verletzen – oder, schlimmer noch, ihn zu er tränken.
    Er drehte Derek auf den Rücken, packte ihn unter den Achseln und versuchte ihn die Böschung hinunterzu schleifen.
    Derek rührte sich nicht von der Stelle.
    Brian zog und zerrte, aber der Mann lag reglos, wie angewurzelt, und Brian schaute nach, ob sich vielleicht ein Schuh im Gebüsch verfangen hatte.
    Konnte es denn so schwer sein, einen Menschen – fast hätte er gesagt: einen Leichnam – von der Stelle zu bewe gen? Einen Menschen, der nur auf dem Rücken lag. Es müsste doch eigentlich ganz leicht sein, ihn über die Bö schung gleiten zu lassen.
    Schließlich gelang es Brian, ihn über das Gras zu schleifen – jedes Mal zehn Zentimeter weiter. Er stemmte sich in den Boden und zerrte und zog, bis Dereks Körper endlich am Ufer lag – auf der Seite, mit dem Gesicht zum Wasser.
    Dort war ein kleines Graspolster, knapp dreißig Zenti meter über dem Wasser. Hier am Ufer war der See sehr flach, das Wasser nicht tief genug, um das Floß ganz he ranzuziehen, und Brian musste es seitwärts drehen, so dass es parallel neben Derek zu liegen kam – knapp unter ihm, auf dem schlammigen Grund gestrandet.
    Er kniete sich neben dem Floß ins Wasser. Nass war er schon, seit er angefangen hatte, das Floß zu bauen. Und er würde nass bleiben bis … na, bis sie es geschafft hat ten. Eine andere Möglichkeit wollte er sich nicht ausden ken.
    Mit der Hüfte presste er das Floß gegen das Ufer und streckte die Arme aus, um Derek auf die Balken zu zie hen.
    Und wieder war es ihm, als müsse er ein totes Gewicht schleppen. Derek lag wie angenagelt am Boden und Brian blieb nichts anderes übrig, als abwechselnd an sei nen Armen und seinen Beinen zu zerren, bis der ganze Mann auf die Balken glitt, die sich unter seinem Gewicht tief in den Schlamm eindrückten und unbeweglich fest lagen.
    Zuerst legte er Derek auf den Rücken, fürchtete aber, er könnte in dieser Lage ersticken, und rollte ihn deshalb auf die Seite, genau in der Mitte des Floßes. Die mittlere Querstange drückte gegen Dereks Hüfte und half mit, ihn im Gleichgewicht zu halten – aber Brian fand, dies sei nicht genug. Also riss er noch ein paar Streifen von seiner Jacke und flocht daraus ein Seil, das er von einer Seite des Floßes – über Dereks Schulter – zur anderen spannte und dort verknotete. So war Derek in sicherer Lage befestigt.
    Endlich, als Derek fest angeschnallt war, rollte Brian Dereks Jacke zu einem Kissen zusammen, das er ihm un ter den Kopf schob.
    Noch einmal kontrollierte er Atmung und Herzschlag und war überrascht, wie automatisch er dies schon tat. Erst seit Stunden hatte er Übung damit – kaum mehr als anderthalb Tage – , und schon reagierte er wie ein gelern ter Krankenpfleger.
    »Derek, ich weiß nicht, ob du mich hören kannst.« Brian hockte im Wasser neben dem gestrandeten Floß und beugte sich über Dereks Gesicht. »Ich will’s dir trotzdem sagen. Wir werden mit diesem Floß den Fluss hinabfahren und zu einer menschlichen Ansiedlung ge langen. Es sind mehr als hundert Meilen bis zum Han delsposten! Wir können aber nicht hier bleiben, weil – na ja, weil es nicht geht. Und das Funkgerät wurde vom Blitz getroffen, vom selben Blitz, der dich getroffen hat. Also können wir nicht um Hilfe rufen. Also müssen wir es versuchen. Wir müssen es versuchen …«
    Er schüttelte den Kopf, räusperte sich und merkte, dass ihm Tränen in die Augen traten. »Ach, zum Teufel, wir müssen es eben einfach versuchen. Ich kann nur hof fen, dass es gelingen wird.«
    Brian wollte gerade das Floß aus dem Schlamm zie hen, als ihn ein schrecklicher Gedanke beschlich: Wie, wenn ganz überraschend ein Rettungsflugzeug kam?
    Wenn sie dann feststellten, dass Derek und Brian ver schwunden waren? Sie würden nicht wissen, was sie da von halten sollten.
    Er musste eine Nachricht hinterlassen.
    Er klappte die Mappe auf und nahm einen Kugel schreiber und einen Notizblock heraus. In großen Block buchstaben schrieb er:
    STARKES GEWITTER, DEREK VOM BLITZ
    GETROFFEN, LIEGT IM KOMA.
    VERSUCHE MIT FLOSS AUF DEM FLUSS
    BRANNOCK TRADING POST ZU ERREICHEN.
    HUNDERT MEILEN SÜDLICH VON HIER.
    KOMMT SCHNELL.
    BRIAN ROBESON
    Er überflog den Brief noch einmal und fügte Uhrzeit und Datum hinzu. Das Funkgerät hatte er im Camp ge lassen. Es würde ihn auf dem Floß nur behindern. So lief er zum Lager

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