Der Fluss
schreckt hatte. Sie hatte ihn nur stumm angesehen. Aber es war so: Das Schlimmste war der Hunger. Schlimmer als die Moskitos. Schlimmer als alles andere. Hunger.
Jetzt sah er wieder aus dem Fenster. Nur dunkle Wäl der da unten, Wälder und Seen und der Schatten des brummenden Flugzeugs. Die Maschine lag unruhig in der Luft, es gab Turbulenzen und Fallwinde, aber das Rütteln und Schütteln machte ihm nichts mehr aus.
Im frühen Morgennebel waren sie von der Piste im Norden des Staates New York gestartet. Aber dann waren sie immer höher gestiegen, ins gleißende Sonnenlicht, und in der Kabine war es warm von den Strahlen der Sonne.
Brian trug ein weißes T-Shirt und eine Baseballkappe mit einem aufgedruckten Fisch. Er klappte den Schirm herunter und drehte den Kopf aus der Sonne. Und dann sah er die ganze Ausrüstung hinter den Sitzlehnen.
Es war genug für eine kleine Armee, so viel Ausrüs tung, und es beunruhigte ihn. Es war ein Gefühl von Be klemmung – und Brian wusste nicht, warum.
Irgendwie stimmte es nicht.
Derek hatte die Ausrüstung mit seiner Mutter anhand einer Liste zusammengestellt. Proviant für mehrere Wo chen, ein Zelt, ein Schlauchboot, die Erste-Hilfe-Tasche komplett mit dem Mückengift, Angelgerät und ein Ge wehr – ja, ein Gewehr. »Wozu wir das brauchen? Nur für den Notfall«, hatte Derek erklärt. »Im Fall der Fälle ha ben wir alles, was wir brauchen.«
Das war’s also, dachte Brian. Sie hatten alles, was sie brauchten. Und diese Tatsache entwertete alles. Sie machte das ganze Unternehmen sinnlos.
Er klopfte Derek auf die Schulter, und der hagere Mann beugte sich über den Sitz nach hinten.
»Viel zu viel«, schrie Brian gegen den Lärm des Mo tors.
»Was?«
»Zu viel Krempel.« Brian deutete über die Schulter nach hinten, auf den Berg von Ausrüstungsgegenstän den.
Doch Derek verstand nicht und nickte, zufrieden lä chelnd. »Fantastisch, wie? Wir haben alles an Bord, bis auf die Spülmaschine.«
Brian zuckte die Schulter. »Ja, ja. Fantastisch.«
Aber es nagte an ihm. Was sie vorhatten, war sinnlos. Es würde nichts beweisen. Sie spielten ja nur ein Spiel. Und so kam es ihm nun vor: dass Derek das ganze Leben nur als ein Spiel betrachtete. Brian wusste, es war unge recht, so etwas zu denken … Er wusste doch nichts von dem Mann, kannte ihn kaum. Aber so hatte Derek die ganze Sache angefangen: nicht anders als ein Spiel. Wie Fußball oder Basketball.
Wenn die Sache schiefging, konnten sie Pause machen und sich eine gute Mahlzeit aus der Konserve gönnen und schwimmen gehen und mit dem Schlauchboot in den Sonnenuntergang segeln und mit dem Gewehr auf die Jagd gehen – und über Funk mit den Leuten schwat zen.
Das nannte man Überleben.
Wie schön.
Das Flugzeug schwebte am Himmel, über dem Wald, die Bäume grün wie ein unendlicher Teppich – und Brian saß da und schaute und sah dies alles und fühlte, dass alles nicht stimmte.
Es war zu viel.
Es war falsch.
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Er schlief. Es war unglaublich, aber er war eingeschlafen. Das gleichmäßige Dröhnen des Flugzeugmotors, die warme Sonne und das ewige Grün der Wälder – diese Monotonie hatte ihn mit der Wucht eines Sandsacks ge troffen; er hatte den Kopf an die Fensterscheibe gelehnt und war eingeschlafen.
Ein veränderter Ton im Brummen des Motors – leiser und abnehmend – weckte ihn auf. Verlegen stellte er fest, dass er im Schlaf gesabbert hatte.
Er fuhr sich mit der Hand über das Kinn.
Der Pilot drückte die Maschine nach unten.
Brian richtete sich starr im Sessel auf, als die Nase des Flugzeugs nach unten zeigte. Er konnte nicht anders. Aber der Landeanflug war langsam und kontrolliert. Gleichmäßig.
Als sie noch hoch über dem Wald schwebten, verlang samte der Pilot bereits das Tempo und fuhr die Lande klappen aus. Die Maschine schien in der Luft stillzuste hen, dann glitt sie langsam dem See entgegen – und Brian erinnerte sich an seine letzte »Landung« mit einem Buschflieger auf einem See.
Hätte er damals etwas von Landeklappen gewusst oder wie man sie einsetzte, er wäre nur halb so schnell gewesen, als er auf dem Wasser aufschlug. Bei einer sanften Landung hätte er Zeit gehabt, dem Piloten zu helfen, falls ihm noch zu helfen war, und das Überlebenspaket herauszuholen. Jetzt beobachtete er den Piloten und merkte sich jeden Handgriff, den er tat, und ihm wurde klar, wieviel Glück er gehabt hatte. Der Pilot fing die Maschine ab, so dass sie, als sie im Wasser aufsetzte, beinah
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