Der Frauenkrieg (German Edition)
Überzeugung, ihr weiterer Vorschlag müßte ihren Sieg vollenden, hielt sie ihn zurück und fuhr fort: »Wenn man Euch statt eines gemeinen Interesses ein höheres, ehrenvolleres Interesse böte; wenn man Euch für Eure Entlassung, die Ihr ohne Schmach nehmen könnt, und die, da die Feindseligkeiten noch nicht begonnen haben, weder ein Abfall, noch eine Treulosigkeit ist, mit einer Verbindung belohnte; wenn eine Frau, der Ihr gesagt habt, Ihr liebtet sie, und die trotz dieser Schwüre Eure Leidenschaft nie offen erwiderte, zu Euch spräche: »›Herr von Canolles, ich bin frei, ich bin reich, ich liebe Euch, werdet mein Gatte ... gehen wir miteinander, gehen wir, wohin Ihr wollt, fernab von allen bürgerlichen Zwistigkeiten, an irgend einen Ort außerhalb Frankreichs ...‹ nun, Herr von Canolles, würdet Ihr dann auch nicht einwilligen?«
Trotz der Röte, trotz des reizenden Zögerns von Claire, trotz der Erinnerung an das hübsche kleine Schloß Cambes, blieb Canolles fest und unerschütterlich in seinem Entschluß, denn er sah von fern, bleich im Schatten, den Kopf der vor Angst zitternden Nanon aus den Vorhängen hervorkommen.
»Antwortet mir doch in des Himmels Namen!« fuhr die Vicomtesse fort; »ich kann Euer Stillschweigen gar nicht begreifen. Seid Ihr nicht der Herr Baron von Canolles? Seid Ihr nicht derselbe, der mir in Chantilly gesagt hat, er liebe mich, der es mir in Jaulnay wiederholte, der mir schwur, er liebe nur mich auf der ganzen Welt und sei bereit, mir jede andere Liebe zu opfern? Sprecht! sprecht! antwortet in des Himmels Namen. Antwortet doch!«
Es ließ sich ein Seufzer hören, der diesmal so deutlich war, daß Frau von Cambes nicht zweifeln konnte, es wohne eine dritte Person der Unterredung bei; ihre erschrockenen Augen folgten der Richtung des Seufzers und bemerkten den bleichen, unbeweglichen Kopf, die geisterartige Form, die allen Phasen des Gespräches folgte.
Die beiden Frauen wechselten durch die Dunkelheit einen Flammenblick und stießen einen Schrei aus.
Nanon verschwand, Frau von Cambes aber ergriff hastig ihren Hut und Mantel, wandte sich gegen Canolles und sagte: »Mein Herr, ich begreife nun das, was Ihr Pflicht und Dankbarkeit nennt; ich begreife, welche Pflicht Ihr nicht verraten wollt; ich begreife, daß es für jede Verführung unzugängliche Neigungen gibt, und überlasse Euch ganz diesen Neigungen, dieser Macht, dieser Dankbarkeit. Lebt wohl, mein Herr; lebt wohl.«
Sie machte eine Bewegung, um sich zu entfernen, ohne daß Canolles sie aufzuhalten suchte; aber eine schmerzliche Erinnerung hielt sie zurück.
»Noch einmal, mein Herr,« sagte sie, »im Namen einer Freundschaft, die ich Euch für den Dienst schuldig bin, den Ihr mir zu leisten die Güte gehabt habt, im Namen der Freundschaft, die Ihr mir für den Dienst, den ich Euch leistete, schuldig seid, im Namen aller derer, die Euch lieben und die Ihr liebt, ich nehme niemand aus, laßt es nicht zum Kampfe kommen, denn morgen oder übermorgen wird man Euch in Saint-George angreifen; bereitet mir nicht den Schmerz, Euch besiegt oder tot zu wissen.«
Canolles bebte und erwiderte, aus seiner Verwirrung erwachend: »Madame, ich danke Euch auf den Knien für die Versicherung Eurer Freundschaft, die mir kostbarer ist, als ich Euch sagen kann. Oh! mein Gott, man komme, man greife mich an! Oh! ich rufe den Feind mit heißerem Eifer herbei, als er je an den Tag legen wird, mit mir zusammenzutreffen. Ich bedarf des Kampfes, ich bedarf der Gefahr, um mich in meinen eigenen Augen zu erheben; es komme der Kampf, es komme die Gefahr, es komme auch der Tod; der Tod wird mir willkommen sein, da ich weiß, daß ich reich durch Eure Freundschaft, stark durch Euer Mitleid und geehrt durch Eure Achtung sterben werde.«
»Lebt wohl, mein Herr,« sagte Claire und wandte sich der Tür zu.
Canolles folgte ihr. Mitten in dem düsteren Gange ergriff er ihre Hand und flüsterte so leise, daß er selbst Mühe hatte, seine Worte zu hören: »Claire, ich liebe Euch mehr, als ich Euch je geliebt habe, aber das Unglück will, daß ich Euch diese Liebe nur beweisen kann, indem ich fern von Euch sterbe.«
Ein kurzes, ironisches Lachen war die einzige Antwort von Frau von Cambes; aber kaum befand sie sich außerhalb des Schlosses, als ein schmerzliches Schluchzen sich aus ihrer zerrissenen Brust hervordrängte, und sie die Hände ringend rief: »Ach! er liebt mich nicht, mein Gott! Er liebt mich nicht. Und ich, ich Unglückliche liebe
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