Der Frauenkrieg (German Edition)
Euch wenigstens Euer würdig.«
Der Brief war nicht unterzeichnet; aber Canolles erkannte Frau von Cambes, wie er Pompée erkannt hatte; er schaute umher, ob ihn niemand beobachtete, und drückte errötend, wie ein Kind bei seiner ersten Liebe, das Papier an seine Lippen, bedeckte es mit glühenden Küssen und verbarg es sodann an seinem Herzen.
Hierauf stieg er auf den Kranz der Bastei, von wo aus er den Lauf der Garonne auf ungefähr eine Meile und die umliegende Ebene in ihrer ganzen Ausdehnung überschauen konnte.
Er vermochte weder auf dem Fluß, noch auf dem Lande irgend etwas wahrzunehmen.
»So wird der Morgen vorübergehen,« murmelte er, »sie werden nicht am hellen Tage kommen; ohne Zweifel rasten sie unterwegs und beginnen den Angriff am Abend.«
Canolles hörte ein leichtes Geräusch hinter sich, und erblickte sich umwendend, seinen Leutnant.
»Nun, Herr von Bibrac,« fragte Canolles, »was sagt man?« – »Mein Kommandant, man sagt, die Fahne der Prinzen werde morgen auf der Insel Saint-George flattern.«
»Wer sagt dies?« – »Zwei von unseren zurückkehrenden Läufern; sie haben die Vorkehrungen gesehen, welche die Bürger der Stadt gegen uns treffen.«
»Und was habt Ihr denen geantwortet, die Euch sagten, die Fahne der Herren Prinzen würde morgen auf dem Fort Saint-George flattern?« – »Mein Kommandant, ich antwortete, das sei nur gleichgültig, da ich es nicht sehen würde.«
»So habt Ihr mir meine Antwort gestohlen.«
»Bravo, Kommandant! Wir verlangten nichts anderes, und die Soldaten werden kämpfen, wie die Löwen, wenn sie Eure Antwort erfahren.«
»Sie mögen sich schlagen wie Männer, mehr fordere ich nicht ... Und was sagt man von der Angriffsweise?« – »General, es ist eine Überraschung, die man uns bereitet,« antwortete Bibrac lachend.
»Teufel, was für eine Überraschung!« rief Canolles; »das ist bereits die zweite Warnung, die ich erhalte ... Und wer befehligt die Angreifenden?« – »Herr von Larochefoucault die Landtruppen, d'Espagnet, Rat im Parlament, die Seetruppen. Der letztere hat sich mit Eurem ehemaligen Regiment Navailles unter dem Baron von Navailly, das zu den Prinzen übergegangen ist, in Verbindung gesetzt.«
»Leutnant, da gibt es gute Unterhaltung für uns; Navailly ist ein trefflicher Bursche und tapfer wie mein Schwert.«
Canolles gab darauf Befehl, daß die Hälfte der Garnison mit geladenem Gewehr zur Hand wachen solle, während die andere Hälfte ruhe; äußerlich aber solle der Anschein der Sorglosigkeit erweckt werden, indem nach seinem Befehl die schlechtesten Soldaten am Abend in der Garonne Angeln auswerfen und im Gelände Wildfallen auslegen sollten.
Es dürfe aber bei Todesstrafe kein Schuß eher auf die Angreifer gelöst werden, als bis er selbst das Signal dazu gegeben hätte.
Der Leutnant entfernte sich und überbrachte die Befehle den anderen Offizieren, die einander erstaunt anschauten. Es lebten zwei Menschen im Gouverneur, der höfliche Edelmann und der unbeugsame Kommandant.
Canolles kehrte zum Abendessen zu Nanon zurück; nur war dieses Abendessen um zwei Stunden vorgerückt, denn Canolles hatte beschlossen, den Wall von Sonnenuntergang bis zur Morgendämmerung nicht zu verlassen. Er fand Nanon, in einer umfangreichen Korrespondenz blätternd.
»Ihr könnt Euch kühn verteidigen, lieber Canolles,« sagte sie zu ihm; »denn Ihr werdet nicht lange auf Unterstützung zu warten haben, der König kommt. Herr de La Meilleraye bringt eine Armee, und Herr von Epernon erscheint mit fünfzehntausend Mann.«
»Mittlerweile vergehen aber acht Tage, zehn Tage, Nanon,« entgegnete Canolles lächelnd; »die Insel Saint-George ist nicht uneinnehmbar.«
»Oh! solange Ihr kommandiert, stehe ich für alles.«
»Ja; aber gerade weil ich kommandiere, kann ich getötet werden. Nanon, was würdet Ihr in diesem Falle tun? Habt Ihr Euch wenigstens vorgesehen?«
»Ja,« antwortete Nanon ebenfalls lächelnd.
»Wohl, haltet Euer Gepäck bereit. Ein Bootsmann wird an einem bezeichneten Posten sein, müßt Ihr ins Wasser springen, so habt Ihr vier von meinen Leuten, gute Schwimmer, denen Befehl gegeben ist, Euch nicht zu verlassen, und die Euch an das andere Ufer bringen werden.«
»Alle diese Vorsichtsmaßregeln sind unnötig, Canolles; werdet Ihr getötet, so brauche ich nichts mehr.«
Man meldete, daß aufgetragen sei. Zehnmal während des Abendessens stand Canolles auf und ging ans Fenster, von dem aus man nach dem Flusse sehen konnte;
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