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Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält

Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält

Titel: Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sennett Richard
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Vorwort

    Vor einigen Jahren beschloss ich, drei Bücher über jene Fertigkeiten zu schreiben, die Menschen benötigen, um das alltägliche Leben zu bewältigen. Ich habe mein ganzes Leben lang Theorien ersonnen, doch inzwischen bin ich es müde, mich mit Theorien um ihrer selbst willen zu beschäftigen. Und ich habe das Gefühl, dass wir angesichts der mit physischen Gegenständen vollgestopften Welt nicht recht wissen, wie wir von materiellen Objekten und Maschinen guten Gebrauch machen können. Deshalb wollte ich etwas genauer über ganz gewöhnliche Dinge nachdenken – das ist keineswegs neu, denn viele Philosophen erkunden die Fertigkeiten alltäglicher Erfahrung, doch für mich ist das in meinem fortgeschrittenen Alter durchaus etwas Neues.
    Ich begann mit Überlegungen zum handwerklichen Können, dem Streben, physische Objekte in guter Qualität herzustellen. In Handwerk habe ich zu zeigen versucht, wie Kopf und Hand miteinander verknüpft sind und welche Techniken die Menschen in die Lage versetzen, bei manuellen oder geistigen Tätigkeiten besser zu werden. Etwas um seiner selbst willen gut zu machen ist eine Fähigkeit, so habe ich dort behauptet, die sich bei den meisten Menschen findet, aber diese Fertigkeit genießt in modernen Gesellschaften nicht das Ansehen, das sie eigentlich verdiente. Es gilt, den Handwerker in uns allen zu befreien.
    Beim Schreiben dieser Studie war ich immer wieder erstaunt über einen speziellen sozialen Aspekt bei der praktischen Arbeit, nämlich Kooperation. Kooperation dient als Schmierstoff für jene Maschinerie, mit deren Hilfe wir es schaffen, dass Dinge getan werden, und indem wir uns mit anderen Menschen zusammentun, können wir individuelle Mängel ausgleichen. Die Kooperation ist in unseren Genen angelegt, darf sich aber nicht in Routineverhalten erschöpfen, sondern muss entwickelt und vertieft werden. Das gilt vor allem für den Umgang mit Menschen, die anders sind als wir. Dort wird Kooperation zu einem anspruchsvollen Unterfangen.
    In diesem Buch konzentriere ich mich auf die Empfänglichkeit gegenüber anderen, etwa die Fähigkeit, im Gespräch zuzuhören, und auf die praktische Anwendung solcher Empfänglichkeit in der Arbeit und in der Gemeinschaft. Zuhören zu können und einfühlsam mit anderen zusammenzuarbeiten hat natürlich auch einen ethischen Aspekt. Dennoch verengt man den Gedanken der Kooperation allzu sehr, wenn man sie nur als etwas ethisch Positives begreift. Wie der gute Handwerker-Wissenschaftler seine ganz Kraft in die Herstellung der denkbar besten Atombombe setzen könnte, so können Menschen auch bei der Durchführung eines Raubüberfalls effektiv zusammenarbeiten. Und auch wenn wir vielleicht deshalb kooperieren, weil unsere eigenen Ressourcen nicht ausreichen, wissen wir doch in vielen sozialen Beziehungen nicht genau, was wir denn von anderen benötigen – oder was sie von uns erwarten mögen.
    Deshalb versuche ich, Kooperation als handwerkliche Kunst zu begreifen. Sie erfordert die Fähigkeit, einander zu verstehen und aufeinander zu reagieren, um gemeinsames Handeln zu ermöglichen, doch das ist ein dorniger Weg, schwierig, voller Mehrdeutigkeit und oft mit zerstörerischen Folgen.
    Der letzte Schritt meines Projekts liegt nun vor mir, ein Buch über den Städtebau. Die Städte werden heutzutage nicht sonderlich gut gebaut; Stadtplanung ist ein im Niedergang begriffenes Handwerk. In physischer Hinsicht ist der Städtebau heute allzu oft homogen und formal rigide. In sozialer Hinsicht lassen moderne Bauformen sich zu selten von persönlichen und gemeinschaftlichen Erfahrungen leiten. Das sind leider nur allzu vertraute Klagen. Ich werde versuchen, mich bei der Behandlung dieser Fragen auf die Arbeit in den bisherigen beiden Bänden zu stützen. Dabei hoffe ich, das Verständnis handwerklicher Arbeit und sozialer Kooperation kann uns zu neuen Ideen verhelfen, wie man den Städtebau verbessern könnte.
    Ich bezeichne diese drei Bücher als das »Homo-Faber-Projekt«, im Blick auf die alte Vorstellung, wonach der Mensch sein Leben und sich selbst durch konkretes praktisches Handeln erschafft. Ich möchte zeigen, wie die Menschen persönliche Anstrengung, soziale Beziehungen und physische Umwelt gestalten. Ich lege das Schwergewicht deshalb auf Fertigkeiten und Kompetenz, weil die moderne Gesellschaft meines Erachtens dazu geführt hat, dass die Menschen in der alltäglichen Lebensführung über weniger Fertigkeiten verfügen. Wir haben sehr

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