Der Frauenkrieg
eine Weile umfangen.
Als sie sich trennten, trocknete Richon eine Träne, vielleicht die einzige, die je seinen stolzen Blick verdunkelt hatte; dann stürzte er, als befürchtete er, Canolles könnte diese Träne wahrnehmen, aus dem Zimmer, denn er schämte sich ohne Zweifel, einem Manne, dessen Mut er kannte, ein solches Zeichen von Schwäche gegeben zu haben.
Fünftes Kapitel
Außer Canolles und dem Offizier, der den Parlamentär gemeldet hatte und nun in einem Winkel neben der Türe stand, war niemand mehr im Speisesaal.
»Was befiehlt der Herr Gouverneur?« fragte der Offizier nach kurzem Stillschweigen.
Canolles, der anfangs in Gedanken vertieft geblieben war, bebte bei dieser Stimme, erhob das Haupt und fragte: »Wo ist der Parlamentär?« – »Im Waffensaal.«
»Wer begleitet ihn? – »Zwei Wachen von der Bürgermiliz von Bordeaux.«
»Wer ist es?« – »Ein junger Mensch, so viel sich beurteilen läßt, denn er trägt einen breitkrempigen Filzhut und ist in einen weiten Mantel gehüllt.«
»Und wie hat er sich angekündigt?« – »Als der Überbringer von Briefen der Frau Prinzessin und des Parlaments von Bordeaux.«
»Bittet ihn, einen Augenblick zu warten,« sagte Canolles. »Ich stehe zu Dienst.«
Der Offizier entfernte sich, um seinen Auftrag zu vollziehen, und Canolles schickte sich an, ihm zu folgen, als Nanon, ganz bleich und zitternd, aber mit ihrem liebevollen Lächeln erschien und, ihn bei der Hand fassend, zu dem jungen Manne sagte: »Ein Parlamentär, mein Freund, was soll das bedeuten?« – »Das soll bedeuten, liebe Nanon, daß die Herren von Bordeaux mich erschrecken oder verführen wollen.«
»Und was habt Ihr beschlossen?« – »Ihn zu empfangen.«
»Könnt Ihr Euch das nicht sparen?« – »Unmöglich. Es ist ein Gebrauch, dem man sich nicht entziehen darf.« »Ah! mein Gott!«
»Was habt Ihr, Nanon?« – »Mir ist angst.« »Wovor?« – »Sagtet Ihr nicht, dieser Parlamentär komme, um Euch zu erschrecken oder zu verführen?«
»Allerdings; ein Parlamentär taugt nur zu dem einen oder dem andern. Fürchtet Ihr, er könnte mich erschrecken?« – »Oh! nein; aber er wird Euch vielleicht verführen.«
»Ihr beleidigt mich, Nanon.«
»Ach! mein Freund, ich sage, was ich befürchte.«
»Ihr zweifelt an mir? Wofür haltet Ihr mich denn?«
– »Für das, was Ihr seid, Canolles, für ein edles, aber zärtliches Herz.«
»Ah!« sagte Canolles lachend, »was für einen Parlamentär schickt man mir? Sollte es Cupido in Person sein?«
– »Vielleicht.«
»Ihr habt ihn also gesehen?« – »Ich habe ihn nicht gesehen, aber seine Stimme gehört; sie ist sehr zart für die Stimme eines Parlamentärs.«
»Nanon, Ihr seid toll, laßt mich meinen Dienst vollziehen; Ihr habt mich zum Gouverneur gemacht...« – »Um mich zu verteidigen, Freund.«
»Haltet Ihr mich für so feig, daß ich Euch verraten könnte? In der Tat, Ihr beleidigt mich, wenn Ihr so an mir zweifelt.«
»Ihr seid also entschlossen, diesen jungen Mann zu sehen?« – »Ich muß und wüßte Euch wahrlich wenig Dank, wenn Ihr Euch noch ferner der Erfüllung meiner Pflicht widersetzen würdet.«
»Handelt nach Eurem Belieben, mein Freund,« erwiderte Nanon traurig. »Nur noch ein Wort...«
»Sprecht.«
»Wo werdet Ihr ihn empfangen?« – »In meinem Kabinett.«
»Canolles, gewährt mir eine Bitte. Empfangt ihn, statt in Eurem Kabinett, in Eurem Schlafzimmer.«
»Was für ein Gedanke!«
»Begreift Ihr nicht?« – »Nein.«
»Mein Zimmer geht in Euren Alkoven.«
»Und Ihr werdet horchen?« – »Hinter den Vorhängen, wenn Ihr es erlaubt.«
»Nanon!«
»Laßt mich in Eurer Nähe bleiben, Freund; ich habe Vertrauen auf mein Gestirn und bringe Euch Glück.«
»Aber, Nanon, wenn dieser Parlamentär...«
»Nun?« – »Käme, um mir ein Staatsgeheimnis anzuvertrauen?« – »Könnt Ihr der, die Euch ihr Leben und ihr Glück anvertraut hat, nicht ein Staatsgeheimnis anvertrauen?«– »Wohl, so hört uns, Nanon, da Ihr es durchaus wollt, aber haltet mich nicht länger zurück, denn der Parlamentär erwartet mich.«
»Geht, Canolles, geht, und seid gesegnet für das Gute, das Ihr mir erweist.«
Die junge Frau wollte die Hand ihres Geliebten küssen.
»Tolle,« sagte Canolles, zog sie an seine Brust und küßte sie auf die Stirn. »Ihr werdet also...« – »Hinter den Vorhängen Eures Bettes sein. Von dort aus kann ich sehen und hören.«
»Lacht wenigstens nicht, Nanon, denn es sind ernste
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