Der Frauenmörder
keine Spuren zu hinterlassen.'
Die Richter, die Zeugen, die Zuhörer, die Geschwornen nickten zustimmend. Man konnte darüber nur diese eine Ansicht haben. Ein aufmerksamer Beobachter hätte feststellen können, daß sogar Thomas Hartwig genickt hatte.
Und nun kam eine prickelnde Sensation. Alle Hälse reckten sich dem vorgerufenen Dengern entgegen, goldene Lorgnons blitzten auf, hier und da sah man sogar einen kleinen diskreten Trieder auftauchen.
Das war also der geheimnisvolle, berühmte, geniale Detektiv, der feudale Junker, der jahrelang der Polizei obskure Dienste geleistet, jahrelang unschuldig im Zuchthaus gesessen hatte! Der Präsident war ganz Zuvorkommenheit. "Herr Zeuge, Sie sind der königlich preußische Krimmalkommissär, Doctor juris Joachim Freiherr von Dengern und haben unter dem Pseudonym Krause die Nachforschungen nach dem Mörder der fünf verschwundenen Mädchen gepflogen. Erzählen Sie, wie Sie auf Thomas Hartwig gekommen sind."
Dengerns Gesicht glättete sich, mit automatenhafter Ruhe und Sicherheit erzählte er von seiner Jagd hinter einer Theorie, die ihn zuerst zu Heiratsvermittlern, dann in das Annoncenbureau des "Generalanzeigers" geführt und dort den Text der verhängnisvollen Annonce kennen lernen ließ. Und schilderte, wie ihm Hartwig ins Garn gelaufen war.
"Ich möchte hier feststellen, daß ich noch nie mit einem Mann zu tun gehabt habe, der ein Verbrechen, das er vermutlich begangen hat, klüger entworfen, später aber, als die Taten begangen waren, alle Vorsicht derart außer acht gelassen hat, wie Herr Hartwig. Er hielt es nicht einmal der Muhe wert, die verräterischen Briefe der seine Annonce beantwortenden Frauen zu vernichten! Eine solche, fast naive Unbesorgtheit im Zusammenhang mit so schweren Verbrechen — zweifellos ein kriminalistisches Kuriosum!"
Als Dengern seine Aussage, die mit Beifallsgemurmel aufgenommen wurde, beendet hatte, wandte er sich an den Präsidenten.
"Herr Präsident! Ich werde jetzt der Vernehmung aller weiteren Zeugen beiwohnen und dann noch eine wichtige Erhebung zu machen versuchen. Jedenfalls bitte ich, mich nach Beendigung des eigentlichen Beweisverfahrens, also vor den Referaten der medizinischen Sachverständigen und den Reden des Herrn Staatsanwaltes und des Herrn Verteidigers, abermals auf den Zeugenstand zu rufen."
Der Präsident erklärte sich einverstanden und Dengern wollte abtreten, aber Rechtsanwalt Nagelstock hielt ihn zurück:
"Herr Kriminalkommissär, Sie haben bei Erläuterung des leichtsinnigen Vorgehens des Angeklagten soeben von einem Verbrechen, das er vermutlich begangen habe, gesprochen. Darf ich dieses 'vermutlich' so auffassen, als ob Sie von der Schuld des Angeklagten nicht vollkommen überzeugt wären?"
Die Falten spielten über das Gesicht Dengerns.
"Herr Rechtsanwalt, solange ein Angeklagter nicht gestanden hat, gibt es immer noch die Möglichkeit seiner Unschuld. Bis zu dem Augenblick wenigstens, wo die Beweise gegen ihn so überwältigend sind, daß nach menschlichem Ermessen an seiner Schuld nicht gezweifelt werden kann."
Der Präsident zog die Augenbrauen hoch, der Staatsanwalt machte ein beleidigtes Gesicht und sagte entrüstet:
"Ich bitte, meine Herren, hier keine philosophischen Debatten zu führen und das Urteil der Geschwornen weder in diesem noch in jenem Sinn zu beeinflussen."
Die Geschwornen nickten. Nein, sie wollten keine Beeinflussung, sie seien kluge und gerechte Männer, die jetzt schon genau wissen, was sie von diesem Hartwig zu halten hätten.
Die Beamtin des Annoncenbureaus betrat den Zeugenstand und identifizierte Hartwig als den Herrn, der anfangs Juni die Annonce mit der Chiffre "Idylle an der Havel" aufgegeben und wenige Tage später eine Unmenge Antworten behoben habe. Dann kam die Frau Armbruster, bei der Hartwig seit drei Jahren das möblierte Zimmer bewohnte. Als sie ihren Zimmerherrn sah, begann sie zu schluchzen.
"Nein, daß ich das erleben muß! So ein feiner, gebildeter Herr und ein Mörder! Ich kann es nicht glauben."
Der Präsident strenge: "Frau Armbruster, uns interessiert Ihre Meinung nicht, sondern wir wollen von Ihnen Tatsächliches hören."
Nagelstock aber sprang auf und ließ protokollieren, daß der Zeugin verboten worden sei, den günstigen Eindruck, den Hartwig immer auf sie gemacht hatte, zu bekunden.
Durch vielerlei Fragen erfuhr man nun aus dem Munde der Frau Armbruster folgendes:
Im großen und ganzen war Hartwig immer recht solid in seiner Lebensführung
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