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Der Frauenmörder

Der Frauenmörder

Titel: Der Frauenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Bettauer
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liebte ihre junge, schone Mieterin aufrichtig, fast mutterlich, aber in letzter Zeit nicht mehr so sehr wie einstens.
    "Nein, diese jungen Mädchen von heute," klagte sie. "Früher hieß es immer Hartwig hin und Hartwig her und wenn er mittags anrief, ließ sie den Suppenlöffel vor Eile fallen und ich dachte an eine große Liebe, die sicher früher oder später zur Ehe führen würde. Und nun, als dieser Unglücksmensch, der Hartwig, verhaftet wurde — glauben Sie, das Mädel wäre zusammen-gebrochen? Keine Spur, nicht einmal geweint hat es! 'Reden wir nicht davon,' sagte sie jedesmal abweisend, wenn ich sie trösten wollte! Herzlos, einfach herzlos, sage ich Ihnen!"
    Dengern stellte noch andere Fragen, sprach bei jedem Besuch immer wieder über Fräulein Fröhlich, so daß Frau Lämmlein schließlich die Überzeugung gewann, der Weinagent liebe das Mädchen selbst. Um so mehr, als er sie einmal gebeten hatte, das Zimmer des Fräulein Fröhlich zu betreten, da er als Junggeselle noch nie Gelegenheit gehabt, so ein "Jungesmädelzimmer" zu sehen. Frau Lämmlein tat ihm den Gefallen, schon deshalb, weil sie diesmal eine Flasche Eierkognak als Muster erhalten hatte. Und da sie gerade in diesem Augenblick zum Fernsprecher gerufen wurde, hatte Dengern Gelegenheit, einige Minuten in Lottes Zimmer allein zu bleiben.

Der große Prozeß
    E ndlich konnten die Zeitungen das große Doppelereignis ankündigen. Am 5. November sollte im Schwurgerichtssaal der auf zwei Tage anberaumte Prozeß gegen Thomas Hartwig beginnen, am Abend des 5. November die Erstaufführung von "Drei Menschen" im Kleist-Theater vor sich gehen.
    Die Berliner Gesellschaft stand Kopf vor Aufregung und rüstete sich für die schwere Aufgabe, die ihrer harrte. Galt es doch, sich Sitze für die Erstaufführung und eine Einlaßkarte in den Schwurgerichtssaal zu verschaffen. Das eine gehörte unbedingt zum anderen. Man würde tagsüber allen Phasen des Prozesses gegen den schweigenden Mörder lauschen und abends im Frack, in großer Toilette den Worten des redenden Dichters. Und es begann ein gewaltiger Ansturm, ein Wettlaufen um beide Karten, die Einsetzung des ganzen Einflusses, die Erneuerung der Bekanntschaft mit Abgeordneten und anderen einflußreichen Tieren. Denn wenn es auch durch Bezahlung des zehnfachen Preises mit Hilfe von Kartenagenten gelang, einen Sitz oder gar eine Loge in Kleist-Theater zu bekommen, so nützte aller Reichtum für den Schwurgerichtssaal nichts, wenn man nicht durch besondere Beziehungen eine Empfehlung an den Vorsitzenden im Prozeß Landgerichtsrat Muhr oder an den Staatsanwalt Röhrich hatte.
    Um zehn Uhr vormittags begann im Kleist-Theater die Generalprobe zu "Drei Menschen" vor geschlossenen Türen, genau um dieselbe Zeit erklärte der Vorsitzende die Verhandlung für eröffnet und erteilte dem Staatsanwalt das Wort zur Verlesung der Anklageschrift.
    Hartwig saß zwischen zwei Gefängniswärtern auf der Anklagebank, und obwohl er sich ersichtlich bemühte, den Eindruck vollster Gleichgültigkeit hervorzurufen, sah man ihm doch unschwer die äußerste Aufregung an. Er zuckte mit den kurzsichtigen blauen Augen, fuhr sich immer wieder mit der Hand über das Gesicht und seine blonden Haare klebten feucht an der Stirne. Nur wenn er musternd die Augen über die Zuhörerschaft, die Damen und Herren der ersten Berliner Gesellschaft, die Künstler, Schriftsteller, Zeitungsleute von Rang und Bedeutung gleiten ließ, blitzte es ironisch in seinem Gesicht auf.
    Die vielen, vielen Zeugen, die von der Staatsanwaltschaft oder dem Verteidiger geladen worden waren, mußten vor Verlesung der Anklageschrift den Saal wieder verlassen, nur die auf dringendes Verlangen des Dr. Nagelstock herbeigerufenen Sachverständigen auf psycho-pathisch-pathologisch-analytischem Gebiete blieben und musterten einander mißtrauisch und hämisch. Sowie einer etwas niederschrieb, ergriffen rasch auch die anderen ihre Bleifedern, um zu kritzeln.
    Der Staatsanwalt faßte zuerst knapp und nüchtern die Ereignisse zusammen, die zur Verhaftung des Thomas Hartwig geführt hatten, und sagte dann:
    "Nie noch ist einer Anklagebehörde eine so seltsame Aufgabe zugefallen wie diesmal. Sie weiß, daß fünf heiratslustige Mädchen verschwunden sind, sie kann exakt nachweisen, daß nur Thomas Hartwig der Bräutigam war, mit dem Jede der Fünf die verhängnisvolle Reise unternommen hat. Sie weiß und kann es beweisen, daß Hartwig einen groß angelegten Plan entworfen hat, um

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