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Der Frauenmörder

Der Frauenmörder

Titel: Der Frauenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugo Bettauer
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gewesen, was aber nicht ausschloß, daß er hier und da ein wenig angeheitert und erst in früher Morgenstunde nach Hause kam. Oft war er von Geldsorgen bedrückt, blieb mit der Miete im Rückstand, borgte sich sogar mitunter von Frau Armbruster kleinere Beträge aus. Im Verlauf des letzten Jahres klagte er oft, ein Pechvogel zu sein, der sich nicht durchsetzen könne. Besonders an Tagen, da ihm der Postbote ein Manuskript brachte, war er deprimiert. Oft habe er von dem Stück "Drei Menschen" gesprochen, das ihn mit einem Schlag berühmt machen würde, aber im Frühjahr, als er es wieder von einem Direktor zurückbekam, habe er ausgerufen: "Am besten wäre es, wenn ich mich aufhängen würde!"
    Frau Armbruster, die diesem Verzweiflungsausbruch beiwohnte, wollte ihn beruhigen, aber Hartwig erklärte achselzuckend:
    "Ach was, es ist wirklich, um einen Mord zu begehen! Wissen Sie keinen reichen Juden, den ich umbringen und berauben könnte, damit ich wenigstens aus der Geldmisere herauskomme?"
    Sie habe das natürlich für einen Scherz gehalten, aber nun erinnere sie sich dieser Worte mit Schrecken.
    Auch im Publikum wurde gemurmelt und "Ah!" und "Oh!" ausgerufen. Ein Geschworner tuschelte seinem Nachbar halblaut ins Ohr:
    "Im Unterbewußtsein hat er immer an Mord gedacht!"
    Der Verteidiger: "Liebe Frau Armbruster! Herr Hartwig wird, wie Sie wissen, beschuldigt, im Verlaufe des Monates Juli hintereinander fünf oder noch mehr Frauen von Berlin fortgelockt zu haben, um sie irgendwo in der Einsamkeit zu ermorden. Zweifellos müßte er seine Verbrechen recht weit von Berlin begangen haben, wenigstens halte ich den Grunewald mit den zahlreichen Familien, die sich dort der edlen Beschäftigung des Kaffeetrinkens hingeben, für wenig geeignet, den Schauplatz der Ermordung, Zerstücklung und Vergrabung von Frauen zu bilden."
    Heiterkeit im Publikum. Rüge des Präsidenten.
    "Es ist anzunehmen, daß Herr Hartwig sein jeweiliges Opfer in öde Gegenden, stundenlang mit der Bahn und dann noch stundenlang zu Fuß entfernt, gebracht hat. Logischerweise also müßte Herr Hartwig im Juni des öfteren tagelang verschwunden sein. Darüber können nur Sie Auskunft geben. Ich frage Sie daher: Ist Ihr Mieter, Herr Hartwig, im Juni oder Juli einigemal über Nacht seiner Behausung ganz ferngeblieben? Hat er Reisen unternommen, auf die er Handgepäck mitnahm?"
    Frau Armbruster verneinte lebhaft.
    "Ne, was man so eine Reise nennt, das hat Herr Hartwich nicht unternommenl Aber Ausflüge hat er ja wohl gemacht. Immer im Frühjahr und Sommer pflegte Herr Hartwich mitunter ganz früh am Morjen fortzugehen und erst spät nachts zurückzukommen und er hat mir dann woll auch erzählt, daß er diese oder jene große Tour unternommen habe. Aber Jepäck, davon war keine Rede nich."
    "Meine Herren Geschwornen," rief Nagelstock triumphierend und listig, "stellen Sie sich nur diese Situation vor: Hartwig hat ein Mädchen auf einen Zweitageausflug eingeladen, um mit ihm eine Villa oder ein Gut in oder bei Ketzin zu besichtigen. Was sich wohl das Mädchen gedacht hätte, wenn sein Bräutigam ohne jedes Gepäck, nicht einmal mit einem Nachthemd und einem Zahnbürstchen bewaffnet, einhergekommen wäre?"
    Einer der Geschwornen, ein Mann mit einem Vogelgesicht und Entenschnabel, derselbe, der vorhin vom Unterbewußtsein gesprochen hatte, erhob sich.
    "Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich eine Frage an die Frau Zeugin richte?"
    "Sicher, es freut mich sogar, wenn die Herren Geschwornen in die Verhandlung eingreifen."
    Der Entenschnabel öffnete sich wieder.
    "Also, Frau Armbruster, können Sie uns sagen, wie Herr Hartwig gekleidet war, wenn er solche Tagesausflüge unternahm?"
    Jawohl, Frau Armbruster konnte. "Nu, einen dunkeljrünen Sportanzug trug er, einen Plüschhut, derbe Stiefel mit doppelter Sohle und so 'nen Rucksack, wie ihn jetzt die Leute immer tragen."
    Heiterkeit, Bewegung, Unruhe. Der Entenschnabel sagte "Nun also!" und klappte dann zu, der Verteidiger schrumpfte ein und zog sich wie ein begossener Pudel auf seinen Stuhl zurück. Zwei aber lächelten vor sich hin: Der Kriminalkommissär Dengern und der Angeklagte Hartwig.
    Die zurückgelassenen Habseligkeiten der verschwundenen Frauen wurden auf dem Gerichtstisch ausgebreitet, elendes, schäbiges Zeug, zertretene Schuhe, Strümpfe mit Löchern, billige Wäschestücke ohne Märke, Barchent, Baumwolle, Flanell. Man tuschelte und lächelte im Auditorium. Ein als Witzbold bekannter Schriftsteller

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