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Der Freigeist

Der Freigeist

Titel: Der Freigeist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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Daemmerung daraus.—Und ueberhaupt ist es nicht einmal wahr, dass ihr so sehr voneinander unterschieden waeret. Einbildungen! Einbildungen! Wie vielmal habe ich nicht allen beiden zugleich recht gegeben? Ich bin es nur allzuwohl ueberzeugt, dass alle ehrliche Leute einerlei glauben.
    Adrast . Sollten! sollten! das ist wahr.
    Lisidor . Nun da sehe man! was ist nun das wieder fuer ein Unterscheid? Glauben, oder glauben sollen: es koemmt auf eines heraus. Wer kann alle Worte so abzirkeln?—Und ich wette was, wenn ihr nur erst werdet Schwaeger sein, kein Ei wird dem andern aehnlicher sein koennen.—
    Adrast . Als ich dem Theophan, und er mir?
    Lisidor . Gewiss. Noch wisst ihr nicht, was das heisst, miteinander verwandt sein. Der Verwandtschaft wegen wird der einen Daumen breit, und der einen Daumen breit nachgeben. Und einen Daumen breit, und wieder einen Daumen breit, das macht zwei Daumen breit; und zwei Daumen breit—ich bin ein Schelm, wenn ihr die auseinander seid.— Nichts aber koennte mich in der Welt wohl so vergnuegen, als dass meine Toechter so vortrefflich fuer euch passen. Die Juliane ist eine geborne Priesterfrau; und Henriette—in ganz Deutschland muss kein Maedchen zu finden sein, das sich fuer Ihn, Adrast, besser schickte. Huebsch, munter, fix; sie singt, sie tanzt, sie spielt; kurz, sie ist meine leibhafte Tochter. Juliane dargegen ist die liebe, heilige Einfalt.
    Adrast . Juliane? Sagen Sie das nicht. Ihre Vollkommenheiten fallen vielleicht nur weniger in die Augen. Ihre Schoenheit blendet nicht; aber sie geht ans Herz. Man laesst sich gern von ihren stillen Reizen fesseln, und man biegt sich mit Bedacht in ihr Joch, das uns andere in einer froehlichen Unbesonnenheit ueberwerfen muessen. Sie redet wenig; aber auch ihr geringstes Wort hat Vernunft.
    Lisidor . Und Henriette?
    Adrast . Es ist wahr: Henriette weiss sich frei und witzig auszudruecken. Wuerde es aber Juliane nicht auch koennen, wenn sie nur wollte, und wenn sie nicht Wahrheit und Empfindung jenem prahlenden Schimmer vorzoege? Alle Tugenden scheinen sich in ihrer Seele verbunden zu haben—
    Lisidor . Und Henriette?
    Adrast . Es sei ferne, dass ich Henrietten irgend eine Tugend absprechen sollte. Aber es gibt ein gewisses Aeusseres, welches sie schwerlich vermuten liesse, wenn man nicht andre Gruende fuer sie haette. Julianens gesetzte Anmut, ihre ungezwungene Bescheidenheit, ihre ruhige Freude, ihre—
    Lisidor . Und Henriettens?
    Adrast . Henriettens wilde Annehmlichkeiten, ihre wohl lassende Dreustigkeit, ihre froehlichen Entzueckungen stechen mit den gruendlichen Eigenschaften ihrer Schwester vortrefflich ab. Aber Juliane gewinnt dabei—
    Lisidor . Und Henriette?
    Zweiter Auftritt
    7
    Der Freigeist
    Adrast . Verlieret dabei nichts. Nur dass Juliane—
    Lisidor . Ho! ho! Herr Adrast, ich will doch nicht hoffen, dass Sie auch an der Narrheit krank liegen, welche die Leute nur das fuer gut und schoen erkennen laesst, was sie nicht bekommen koennen. Wer Henker hat Sie denn gedungen, Julianen zu loben?
    Adrast . Fallen Sie auf nichts Widriges. Ich habe bloss zeigen wollen, dass mich die Liebe fuer meine Henriette gegen die Vorzuege ihrer Schwester nicht blind mache.
    Lisidor . Nu, nu! wenn das ist, so mag es hingehen. Sie ist auch gewiss ein gutes Kind, die Juliane. Sie ist der Augapfel ihrer Grossmutter. Und das gute, alte Weib hat tausendmal gesagt, die Freude ueber ihr Julchen erhielte sie noch am Leben.
    Adrast . Ach!
    Lisidor . Das war ja gar geseufzt. Was Geier ficht Ihn an? Pfui! Ein junger gesunder Mann, der alle Viertelstunden eine Frau nehmen will, wird seufzen? Spare Er Sein Seufzen, bis Er die Frau hat!
    Vierter Auftritt
    Johann. Adrast. Lisidor.
    Johann . Pst! Pst!
    Lisidor . Nu? Nu?
    Johann . Pst! Pst!
    Adrast . Was gibt's?
    Johann . Pst! Pst!
    Lisidor . Pst! Pst! Mosjeu Johann. Kann der Schurke nicht naeher kommen?
    Johann . Pst, Herr Adrast! Ein Wort im Vertrauen.
    Adrast . So komm her!
    Johann . Im Vertrauen, Herr Adrast.
    Lisidor (welcher auf ihn zu geht). Nun? was willst du?
    Johann (geht auf die andre Seite). Pst! Herr Adrast, nur ein Woertchen, ganz im Vertrauen!
    Adrast . So pack dich her, und rede.
    Lisidor . Rede! rede! Was kann der Schwiegersohn haben, das der Schwiegervater nicht hoeren duerfte?
    Johann . Herr Adrast! (Zieht ihn an dem Aermel beiseite.) Lisidor . Du Spitzbube, willst mich mit aller Gewalt vom Platze haben. Rede nur, rede! ich gehe schon.
    Vierter Auftritt
    8
    Der Freigeist
    Johann . Oh! Sie sind

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