Der Freigeist
ausdruecklich meinetwegen hergekommen ist. Er kann andre Geschaefte haben.
Johann . Je nu! so wird er das Geschaefte mit Ihnen so beiher treiben. Wir sind doch immer geklatscht.
Adrast . Du hast recht.—Ich moechte rasend werden, wenn ich an alle die Streiche gedenke, die mir ein ungerechtes Schicksal zu spielen nicht aufhoert.—Doch wider wen murre ich? Wider ein taubes Ohngefaehr?
Wider einen blinden Zufall, der uns ohne Absicht und ohne Vorsatz schwerfaellt? Ha! nichtswuerdiges Leben!—
Johann . Oh! lassen Sie mir das Leben ungeschimpft. So einer Kleinigkeit wegen sich mit ihm zu ueberwerfen, das waere was Gescheutes!
Adrast . So rate mir doch, wenn du es fuer eine Kleinigkeit ansiehst.
Johann . Faellt Ihnen im Ernste kein Mittel ein?—Bald werde ich Sie gar nicht mehr fuer den grossen Geist halten, fuer den ich Sie doch immer gehalten habe. Fortgehen wollen Sie nicht; bezahlen koennen Sie nicht: was ist denn noch uebrig?
Adrast . Mich ausklagen zu lassen.
Johann . O pfui! Worauf ich gleich zuerst fallen wuerde, wenn ich auch bezahlen koennte—
Adrast . Und was ist denn das?
Fuenfter Auftritt
11
Der Freigeist
Johann . Schwoeren Sie den Bettel ab.
Adrast (mit einer bittern Verachtung). Schurke!
Johann . Wie? Was bin ich? So einen bruederlichen Rat—
Adrast . Ja wohl ein bruederlicher Rat, den du nur deinen Bruedern, Leuten deinesgleichen, geben solltest.
Johann . Sind Sie Adrast? Ich habe Sie wohl niemals ueber das Schwoeren spotten hoeren?
Adrast . Ueber das Schwoeren, als Schwoeren, nicht aber als eine blosse Beteurung seines Wortes. Diese muss einem ehrlichen Manne heilig sein, und wenn auch weder Gott noch Strafe ist. Ich wuerde mich ewig schaemen, meine Unterschrift geleugnet zu haben, und ohne Verachtung meiner selbst, nie mehr meinen Namen schreiben koennen.
Johann . Aberglauben ueber Aberglauben. Zu einer Tuere haben Sie ihn herausgejagt, und zu der andern lassen Sie ihn wieder herein.
Adrast . Schweig! ich mag dein laesterliches Geschwaetze nicht anhoeren. Ich will Araspen aufsuchen. Ich will ihm Vorstellungen tun; ich will ihm von meiner Heirat sagen; ich will ihm Zinsen ueber Zinsen versprechen.—Ich treffe ihn doch wohl noch in dem Posthause?
Johann . Vielleicht.—Da geht er, der barmherzige Schlucker. Das Maul ist gross genug an ihm; aber wenn es dazu koemmt, dass er das, was er glaubt, mit Taten beweisen soll, da zittert das alte Weib! Wohl dem, der nach seiner Ueberzeugung auch leben kann! So hat er doch noch etwas davon. Ich sollte an seiner Stelle sein.—Doch ich muss nur sehen, wo er bleibt.
(Ende des ersten Aufzugs.)
Zweiter Aufzug
Erster Auftritt
Juliane. Henriette. Lisette.
Lisette . Vor allen Dingen, meine lieben Mamsells, ehe ich Ihre kleine Streitigkeit schlichte, lassen Sie uns ausmachen, welcher von Ihnen ich heute zugehoere. Sie wissen wohl, Ihre Herrschaft ueber mich ist umzechig. Denn weil es unmoeglich sein soll, zweien Herren zu dienen, So hat Ihr wohlweiser Papa—neigen Sie sich, Mamsells, neigen Sie sich! —so hat, sage ich, Ihr wohlweiser Papa wohlbedaechtig mich damit verschonen wollen, das Unmoegliche moeglich zu machen. Er hat jede von Ihnen einen Tag um den andern zu meiner hauptsaechlichen Gebieterin gemacht; so dass ich den einen Tag der sanften Juliane ehrbares Maedchen, und den andern der muntern Henriette wilde Lisette sein muss. Aber jetzt, seitdem die fremden Herren im Hause sind—
Henriette . Unsre Anbeter meinst du—
Lisette . Ja, ja! Ihre Anbeter, welche bald Ihre hochbefehlenden Ehemaenner sein werden—Seitdem, sage ich, diese im Hause sind, geht alles drueber und drunter; ich werde aus einer Hand in die andere geschmissen; und ach! unsere schoene Ordnung liegt mit dem Naehzeuge, das Sie seit eben der Zeit nicht angesehen haben, Zweiter Aufzug
12
Der Freigeist
unterm Nachttische. Hervor wieder damit! Ich muss wissen, woran ich mit Ihnen bin, wenn ich ein unparteiisches Urteil faellen soll.
Henriette . Das wollen wir bald ausrechnen.—Du besinnst dich doch wohl auf den letzten Feiertag, da dich meine Schwester mit in die Nachmittagspredigt schleppte, so gerne du auch mit mir auf unser Vorwerk gefahren waerest? Du warst damals sehr strenge, Juliane!—
Juliane . Ich habe doch wohl nicht einer ehrlichen Seele einen vergeblichen Weg nach ihr hinaus gemacht?
Henriette . Lisette—
Lisette . Stille, Mamsell Henriette! nicht aus der Schule geschwatzt, oder—
Henriette . Maedchen drohe nicht! Du weisst wohl, ich habe ein
Weitere Kostenlose Bücher