Der Fremde ohne Gesicht
irgendwelche Zigarettenstummel im Zimmer gefunden?«
Flannery schaute hinüber zu zwei Tatort-Spezialisten, die am anderen Ende des Zimmers standen und abwarteten, bis Sam mit ihrer Erstuntersuchung fertig war, damit sie die Leiche abtapen und einpacken konnten. Einer von ihnen hielt einen durchsichtigen Plastikbeutel empor.
»Zwei Stück.«
Sharman durchquerte das Zimmer und nahm den Beweismittelbeutel in die Hand. »Wissen Sie, welche Marke?«
»Noch nicht. Das wird uns später das Labor verraten.«
Sharman studierte die Stummel durch die Plastikfolie hindurch. Etwas war seltsam an ihnen, aber er war sich nicht sicher, was. Nun, das Labor würde schon dahinter kommen. Während er noch die Zigaretten musterte, trat plötzlich Sam an seine Seite und warf ebenfalls einen Blick darauf.
»Warum sind die Filter wohl abgerissen?«
Sharman betrachtete die Zigaretten noch einmal. Dr. Ryan hatte Recht. Er schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Vielleicht raucht er lieber ohne Filter.«
Sam war noch nicht überzeugt. »Warum kauft er dann Filterzigaretten?«
Sharman musste ihr zustimmen. Er wandte sich an Meadows. »War sie Raucherin?«
Meadows zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Werden wir aber sicher bald wissen.«
Sharman drehte sich zu Colin Flannery. »Schon irgendeine Spur?«
»Bisher nichts«, erwiderte Flannery. »Aber meine Jungs haben noch nicht alles unter die Lupe genommen.«
»Was ist mit dem Rest der Schnur?«
»Nicht aufgetaucht. Aber wie gesagt, sie suchen noch.«
Sharmans Augen suchten den Raum nach irgendetwas Gewöhnlichem oder Außergewöhnlichem ab, das ihm einen Hinweis auf die Identität des Mörders geben könnte. Doch nichts fiel ihm auf. Er würde die Spurensuche Flannery und seinen Leuten überlassen müssen.
Tom Adams’ gereizte Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. »Ist das Ihre Schrottmühle, die da auf meinem Parkplatz steht, Sharman?«
Sharman drehte sich um. Er sah erst Meadows an, der neben dem Superintendent verlegen und besorgt von einem Bein aufs andere trat, dann Adams. »Falls Sie den 69er Ford Cortina da unten meinen, das ist keine Schrottmühle, sondern ein Liebhaberstück.«
Adams funkelte ihn an. »Trotzdem steht die Kiste auf meinem Parkplatz. Also weg damit, sonst lasse ich Sie abschleppen.«
Sharman lächelte Adams herablassend an und machte sich auf den Weg nach draußen, ohne zu antworten. Als er an dem Superintendent vorbeikam, zischte Adams ihm ins Ohr: »Und machen Sie sich mal frisch, verdammt noch mal. Sie stinken.«
Sharman sah ihn an. »Das ist mein Anzug.«
»Dann verbrennen Sie das Ding und kaufen Sie sich einen neuen. Der ist schon seit zehn Jahren aus der Mode.«
Sharman sah ihm direkt in die Augen. »Dann dürfte er ja bald wieder in sein, oder? Sie wissen ja, wie das ist, Sir.«
Damit verließ er den Raum und ging hinunter zum Ausgang.
Nachdem Sharman verschwunden war, wandte Adams seine Aufmerksamkeit Sam zu, die die kleine Auseinandersetzung zwischen dem Sergeant und ihrem Exfreund mit einem stillen Lächeln beobachtet hatte. Sie hatte es Adams noch nicht verziehen, dass er sie wegen einer anderen Frau verlassen hatte, insbesondere, da es eine jüngere war.
»Ich dachte schon, du kommst überhaupt nicht mehr. Hat Rebecca dich aufgehalten?«
Die Bemerkung war unfair und unprofessionell, und Sam bereute sie, kaum dass sie ihr über die Lippen gekommen war. Adams war der Ärger und die Verlegenheit anzumerken. Sie war nicht stolz auf das, was sie eben gesagt hatte, aber sie genoss sein Unbehagen. Seit sie sich getrennt hatten, hatte sie versucht, ihm aus dem Weg zu gehen, und bisher war ihr das auch gelungen. Er hatte angerufen, geschrieben und mindestens zweimal bei ihr zu Hause vorbeigeschaut. Beim zweiten Mal war sie zu Hause gewesen, hatte aber nicht die Tür geöffnet. Sie war tief verletzt worden und hatte kein Interesse, sich noch weitere seiner lahmen Ausreden anzuhören.
»Können Sie uns irgendetwas sagen, Dr. Ryan?«
Wie formell, dachte Sam. Nun, was er konnte, konnte sie auch.
»Sie wurde höchstwahrscheinlich stranguliert und es sieht so aus, als ob sie vorher gefoltert wurde. Anhand der Schwellungen und Verletzungen rund um die Vagina und der Lage des Körpers würde ich sagen, dass sie vermutlich auch vergewaltigt wurde.«
»Wann wollen Sie die Obduktion durchführen?«
Sam steuerte auf den Ausgang zu. Sie wollte die Zeit, die sie mit ihm im selben Raum verbrachte, so kurz wie möglich halten. »Kommt drauf
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