Der fremde Pharao
zu halten.
»Entschuldigung«, sagte er. »Wenn wir uns in mehr als nur im Aussehen ähneln würden, unser Leben könnte einfacher sein. Trotzdem habe ich dich lieb.« Er schenkte ihm ein Lächeln.
»Ich dich auch.«
»Aber«, sagte Si-Amun betont, denn er behielt gern das letzte Wort, »falls sich Vater jemals in den Kopf setzt, Hochverrat gegen die Maat zu begehen und gegen den König zu ziehen, ich würde nicht mitgehen. Das macht mir Sorgen.«
»Mir auch«, bekannte Kamose, »aber nicht aus Treue zum König. Ich mache mir Sorgen, dass die Familie auseinander fällt und das Leben, das wir hier in Waset führen, zerstört wird. Aber es ist dumm, dass wir uns weiter den Kopf heiß machen, wir sind schon verschwitzt genug, und uns über ein Staubwölkchen streiten. Gehen wir baden. Ich möchte mich massieren lassen, ehe ich Muskelkater bekomme. Und ohnedies«, sagte er und schenkte Si-Amun ein seltenes, strahlendes Lächeln, »ist Apophis in Ägypten nicht die Maat. Das ist Vater.«
Darauf hatte Si-Amun keine Antwort. Sie schoben sich durch die Pforte, überquerten den Hof dahinter im jähen Schatten der Kornspeicher und strebten zusammen dem Badehaus zu.
Vom König kam keine Antwort auf Seqenenres Brief. Men kehrte ein paar Wochen später aus dem Delta zurück und berichtete, dass Apophis ihn nicht persönlich empfangen hätte. Die Rolle hatte er Itju, dem Obersten Schreiber des Königs, ausgehändigt, und am folgenden Tag hatte man ihm gesagt, dass er gehen könne. Er war zum Vieh seines Herrn gereist, das fett und blank auf satten Weiden stand, die von einem großzügigen Nil bewässert wurden, der sich mit seinen vielen Armen durch das Delta bedächtig zum Großen Grün schlängelte, und konnte Amunmose berichten, dass es auch Amuns Vieh ausgezeichnet ging. Er hatte zugesehen, wie die Streitwagenfahrer des Königs vor den Toren von Auaris übten. Auf dem Heimweg hatte er einen Tag lang die Wunder von Sakkara, der alten Totenstadt, bestaunt und war auf eine der kleineren Pyramiden in der Nähe gestiegen, wie es auch viele andere Reisende taten.
Seqenenre stellte nur wenige Fragen. In den darauf folgenden Tagen ließ seine Besorgnis nach und verflüchtigte sich zu guter Letzt, als er die königlichen Boote flussauf und flussab nach Kusch und zurück fahren sah, die mit aufblitzenden Riemen und flatternden Fahnen an Waset vorbeiglitten. Seqenenre verdrängte Apophis’ sonderbare Aufforderung und seine gleichermaßen unsinnige Antwort, bis das Ganze fast in Vergessenheit geraten war.
Zweites Kapitel
Als aus Frühling Sommer wurde und der Schemu begann, überließ Seqenenre Kamose die Verwaltungsgeschäfte und reiste mit der übrigen Familie gen Norden, nach Chemmenu, wo Teti, Aahoteps angeheirateter Verwandter, Nomarch war. Tetischeri wollte daheim bleiben, denn sie teilte sich ihre Zeit gern nach Belieben ein. Kamose war es sehr zufrieden, dass er sich um die Geschäfte der Nomarchen kümmern, ein wenig in den Dünen der Wüste jagen und den Frieden seiner einsamen Tage genießen konnte. Seqenenre bestand nicht darauf, dass Si-Amun die Pflichten des Erben wahrnahm. Der würde mehr Vergnügen an dem Leben und Treiben auf Tetis Anwesen haben als Kamose. Ahmose fügte sich darein, dass man ihm gar keine Wahl ließ. Er war überall glücklich. Die Aussaat auf den kleinen Äckern war üppig und viel versprechend gesprossen. Die angrenzenden Kanäle standen voll Wasser und waren hinter Lehmdämmen eingesperrt, als der Nil nach der letzten Überschwemmung zurückgegangen war. In den Gärten wuchsen Lauch und Zwiebeln, Radieschen, Salat und Melonen, und am Teich schaukelten sich rosige, blaue und weiße Blumen. Affen hockten in den Palmen, die den Fluss säumten, plapperten mit Vorbeikommenden, und in den Papyrusdickichten lauerten junge Krokodile und beobachteten träge und gierig die Narrenpossen der frisch geschlüpften Vögel.
Die Überschwemmung war reichlich ausgefallen. Isis hatte ausgiebig geweint und Ägypten Fruchtbarkeit geschenkt, und Seqenenre erkannte, dass er aus der Ernte dieses Jahres seine Steuern an den Einzig-Einen bezahlen und zugleich seine private Schatzkammer für ein weiteres Jahr reichlich auffüllen konnte. Si-Amun und seine ältere Tochter waren gerade vor dem allgemeinen Aufbruch zu ihm gekommen, beide feierlich und wichtig, und hatten ihm mitgeteilt, dass Aahmes-nofretari mit ihrem ersten Kind schwanger sei. Seqenenre hatte ihnen begeistert gratuliert. Aahotep gab Aahmes-nofretari
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