Der fremde Pharao
du dir so schutzlos vor. Mich hat man dir gegeben, weil meine Familie auch uralt ist, selbst wenn in ihren Adern kein königliches Blut fließt. Die wahre Maat in Ägypten hängt an einem Faden. Kamose widersetzt sich all deinen Bemühungen, ihn zu einer Ehe mit Tani zu bewegen, wenn sie nächstes Jahr volljährig wird, und du fragst dich, ob du es ihm befehlen musst. Dennoch kann Leben, das hell und stark brennt, jederzeit flackern und verlöschen, lieber Bruder. Si-Amuns Kind wird durch und durch königlich sein. Vielleicht ist Kamose morgen, nächsten Monat, nächstes Jahr tot.« Abergläubisch, wie sie war, griff sie bei diesen Worten nach dem silbernen Anch um ihren Hals und Sechmets Amulett an ihrem Arm. »Was wissen wir schon. Freu dich für deinen Sohn. Falls Kamose zur Vernunft kommt und er und Tani Kinder haben, umso schöner. Falls nicht, bleibt immer noch Ahmose.«
»Du hast Recht«, fiel er ihr ins Wort. »Ich trauere um mich selbst, um meinen Vater, um eine angeschlagene Maat. Ich trauere, weil ich und Si-Amun und, ja, auch Kamose als niedere Nomarchen in die Grube fahren. Ich werde Krummstab und Geißel nie in Händen halten, Aahotep.«
»Und doch hast du in den Augen der Götter stets das Richtige getan«, erinnerte sie ihn. »Wenn dein Herz gewogen wird, zählt nichts anderes. Isis!« Die Frau ließ Aussicht Aussicht sein, kam und verbeugte sich. »Bring das Senet-Spiel. Sieh mal, Seqenenre.« Sie zeigte auf das Ufer. »Das Dorf da scheint nur von kleinen Jungen und Ochsen bewohnt zu sein. Die haben sie wohl zur Abkühlung zum Fluss getrieben. Möchtest du mit den Kegeln spielen, oder darf ich sie haben?«
Sie spielten mehrere Spiele, speisten und tranken und spielten erneut, wobei sich Aahotep vorsah, dass sie Seqenenres Steine nicht auf das Feld drängte, das die kalten, schwarzen Fluten der Unterwelt bedeutete, wo die Toten nach Res Licht wehklagten, und schon bald heiterte sich Seqenenres Stimmung auf. Er neigte nicht zu Selbstmitleid und war wie jedermann süchtig nach dem magischen Kampf zwischen Kegeln und Spulen. Als die Nachmittagshitze stärker wurde, begab sich Aahotep zur Ruhe und nahm Isis mit, dass sie ihr Luft zufächelte.
Seqenenre stand auf, reckte und streckte sich, ging zur Bordwand der Barke und ließ sich zunächst von dem stetigen Strömen des Kielwassers einlullen, dann musterte er das vorbeigleitende Ufer. Dörfer, steife Palmen, Kanäle, die einen bronzefarbenen Himmel spiegelten. Zuweilen ein nackter Bauer, der einen Esel zur Tränke führte, alles tauchte auf, prägte sich im Hitzedunst flüchtig ein und entglitt wie in einem Wachtraum. Er kannte das alles. Seit seiner Jugend hatte er den Nil flussauf und flussab befahren, von Waset nach Süden, nach Swenet und nördlich nach Qes, zu den Grenzen des Ägyptens, das er und vor ihm seine Ahnen hatten verwalten dürfen. Jahraus, jahrein hatte er die scheinbare Unveränderlichkeit seines Reiches betrachtet. Unveränderlichkeit gehörte zur wahren Maat, der ewigen Ordnung, die die Götter festgelegt hatten, als Ägypten aus Nun, dem Urmeer, emportauchte und Osiris noch der König der Lebenden war.
In jüngeren Jahren, wenn er mit Senechtenre reiste, war diese Vertrautheit beruhigend gewesen. Doch jetzt wusste er, dass die Unveränderlichkeit der Dörfer nur ein Teil der Maat war, die erhalten geblieben war. Die Barke kam an einem verfallenen und zugewachsenen Schrein vorbei, und als er den Kopf drehte, weil er ihn länger ansehen wollte, kam ein Rudel Hunde aus dem gähnenden Eingang gelaufen und rannte in Richtung Wasser. Die Setius, die Ägypten regierten, hatten ihre eigenen Götter mitgebracht, barbarische Gottheiten mit harten Namen, und die Wohnstätten ägyptischer Götter verfielen zu Staub. Wie kommt es, dass mir das noch nie aufgefallen ist?, fragte er sich tief besorgt. Chentiamentiu, Aabtus Schakal, dein Tempel und hundert andere sind nicht unveränderlich, nein. Sie bröckeln, sie verfallen, während ich Jahr für Jahr vorbeigefahren bin, während Seth und Sutech langsam eins geworden und Hathor und Ischtar miteinander verschmolzen sind. Horus und Horon … Er erschauerte. Mein Körper lebt im Schatten des alten Palastes. Mein Ka wohnt in der Vergangenheit, damit ich mir die Gegenwart hübsch vom Hals halten kann. Und warum auch nicht? Müde verließ er die Reling und warf sich im Schatten auf die Polster. Sofort kam Uni zu ihm getappt, doch Seqenenre hatte den Arm über die Augen gelegt und bedeutete ihm, sich
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