Der fremde Pharao
überquerten ihn, und Kamose sah erleichtert, dass aus dem Arbeitszimmer des Bürgermeisters noch immer Licht drang und dass neben der Tür ein Diener auf einem niedrigen Schemel saß. Er stand auf, als sie sich näherten, verbeugte sich linkisch, und die kleine Gruppe blieb stehen. »Ist dein Herr dort drinnen?«, erkundigte sich Kamose. Der Mann räusperte sich.
»Ja, Gebieter«, antwortete er unschlüssig, »aber er hat seine Arbeit für heute beendet.« Kamose nickte einem seiner Soldaten zu.
»Geh mit diesem Mann in das nächstgelegene Bierhaus«, befahl er. »Spendiere ihm Bier und eine Mahlzeit. Behalte ihn im Auge, bis ich nach dir schicke.«
»Aber, Gebieter, ich darf meinen Schemel nicht verlassen«, wehrte sich der Diener. »Wer seid ihr? Ich möchte euch anmelden.«
»Das ist nicht nötig«, sagte Kamose lächelnd, hob die Hand, und schon trat einer der Soldaten vor, packte den Mann höflich, aber bestimmt beim Arm und führte den immer noch Protestierenden fort. »Ein Paar Ohren weniger«, murmelte Kamose. »Gehen wir hinein.«
Der Bürgermeister von Pi-Hathor wollte gerade von seinem Stuhl hinter einem beeindruckenden Schreibtisch aufstehen, der beinahe den kleinen Raum ausfüllte. Er war ein gedrungener, gebeugter Mann mit altersfleckigen Händen, runzligem Gesicht und hellem Schädel. Sein Schreiber kam gerade von seinem Platz zu Füßen seines Herrn hoch, hatte die Palette in einer Hand und eine Papyrusrolle in der anderen. Offensichtlich waren sie gerade mit Diktieren fertig geworden. Beide sahen zerknautscht und müde aus, und Kamose dachte in dem flüchtigen Augenblick, ehe sie sich überrascht zu ihm umdrehten, wie hart der Mann wohl aufgrund zweier Gewerbe in seiner Stadt arbeiten musste. Gewiss war er weder unwissend noch leicht herumzubekommen. »Het-ui, Bürgermeister von Pi-Hathor?«, fragte er sanft. Het-ui nickte, und sein dunkler Blick wanderte bestürzt über die strengen Männer, die sich vor ihm aufgebaut hatten, und blieb dann auf den verbleibenden drei Soldaten ruhen, von denen einer an der Tür stand und wachsam in die hereinbrechende Dämmerung blickte.
»Der bin ich«, bestätigte er knapp. »Aber wer seid ihr, und was wollt ihr von mir? Wo ist der Diener, der euch hätte anmelden sollen?« Seine Augen wurden schmal. »Ich spreche, glaube ich, mit dem Fürsten von Waset, ja?« Statt verwundert blickte er jetzt argwöhnisch.
»So ist es«, sagte Kamose rasch. »Ich bin Kamose Tao. Mein Bruder Ahmose und die Fürsten Mesehti, Intef, Iasen, Machu und Anchmahor begleiten mich. Das hier ist mein Schreiber Ipi. Schick deinen fort, Het-ui. Wir müssen eine dringende und private Angelegenheit besprechen. Du darfst dich hinsetzen.« Der Bürgermeister ließ sich hinter seinem Schreibtisch auf den Stuhl sinken. Seine Hände lagen jetzt auf der Tischfläche und blieben dort auch liegen. Kamose fiel auf, dass seine Finger nicht zitterten und auch seine Stimme nicht, als er antwortete.
»Mein Schreiber kann schweigen wie alle guten Schreiber«, wehrte er sich. »Verzeih mir, Fürst, wenn ich darum bitte, dass er bleibt. Dir hat man die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt, und du bist verbannt, daher ist es geraten, einen Zeugen für die Geschäfte zu haben, die du vielleicht mit mir machen möchtest. Dein plötzliches Auftauchen ohne die formelle Ankündigung durch einen Herold, ja, ohne jegliche Vorwarnung, deutet nicht auf einen gesellschaftlichen Besuch oder eine leichtfertige Angelegenheit hin.«
»Es wäre klüger, wenn du tust, was ich sage«, fuhr ihn Kamose gereizt an, obwohl er gar nicht gereizt war. Het-ui würde eine harte Nuss werden. »Das Urteil des Königs in Bezug auf mein Schicksal tritt erst in zwei Wochen in Kraft. Bis dahin bin ich noch immer ein ägyptischer Fürst, und du, Het-ui, bist nur ein Bürgermeister. Schick ihn fort. Wache!« Sein Mann an der Tür drehte sich um. »Geh in die anderen Arbeitszimmer und hol uns Stühle. Wir wollen alle sitzen.« Kamose blickte den Bürgermeister mit hochgezogenen Brauen an, und der nickte seinem Schreiber mit sichtlichem Zögern zu. Mit einer Verbeugung für seinen Herrn und einer weiteren für die Gruppe entfernte sich dieser rückwärts, die Palette an die Brust gedrückt. Sofort setzte sich Ipi auf den Fußboden, legte seine eigene Palette auf die Knie und machte sich schreibbereit. Abgesehen von den leisen Geräuschen, die er machte, als er seine Tusche entstöpselte und seinen Papyrus entrollte, war es still im Raum.
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