Der Frühling - Hyddenworld ; 1

geschrieben. Sie hatte in Blau »und Katherine« daruntergesetzt.
    »Es wird Zeit, dass alle es erfahren«, sagte Clare nüchtern. »Ich werde sterben, und wir alle wissen es. Du hast ein Recht darauf, Antworten auf einige Fragen zu erhalten, bevor ich von euch gehe, Jack.«
    »Geht es um den Unfall?«
    Clare nickte. »Ja … und um das, was davor passiert ist. Soweit Margaret davon weiß. Mit anderen Worten, es geht um deine Vergangenheit.«
    Katherine blickte zu Jack. »Ja, er muss mehr darüber erfahren.«
    »Nun ja«, begann Margaret, »viel wissen wir nicht, aber mit Sicherheit mehr, als bisher gesagt wurde. Arthur hat alles, was er weiß und was er vermutet, auf dieser DVD zusammengefasst für den Fall, dass er nicht zurückkommt. Woher nicht zurückkommt, wird klar, wenn du sie dir ansiehst. Er hat gesagt, dass sie eine Erklärung und zugleich eine Warnung sei. Und dass du sie dir in unserem Beisein ansehen sollst, damit wir etwaige Fragen beantworten können. Dasselbe gilt jetzt auch für dich, Katherine.«
    Jack nahm die DVD und schob sie in das Abspielgerät.
    »Okay, sollen wir sie uns jetzt ansehen?«
    Margaret legte Jack die Hand auf den Arm.
    »Arthur ist nicht immer sehr feinfühlig, da er davon ausgeht, dass alle Menschen seine Intelligenz und sein dickes Fell haben. Was du jetzt zu sehen und zu hören bekommst, könnte ein Schock für dich sein, wenn es das ist, was ich vermute. Deshalb sind wir hier.«
    »Um Erste Hilfe zu leisten?«
    »So ungefähr.«
    »Ich glaube, dann setze ich mich neben Katherine«, sagte er leise. Wieder tauschten sie einen Blick. Aus ihm sprachen Freundschaft und Vertrauen. Und Nervosität.
    Sie griff nach seinem Arm und ahmte dabei unbewusst Clare nach, die in wichtigen Augenblicken immer körperlichen Kontakt suchte. »Es wird schon gutgehen.«
    »Bringen wir’s hinter uns«, sagte Jack und schaltete das Licht im Wintergarten aus, damit der Bildschirm besser zu sehen war.
    Den Film hatte Arthur selbst amateurhaft gedreht. Er begann mit einer verwackelten Webcam-Aufnahme von ihm selbst, wie er direkt in die Kamera sprach.
    »Jack, wir wissen nur, dass du aus Deutschland gekommen bist, wahrscheinlich aus dem Harz, und dass du damals ungefähr sechs Jahre alt warst. Margaret wird dir die Hintergründe erläutern. Auf jeden Fall bist du nur wenige Wochen vor dem Unfall, bei dem du so schwer verletzt wurdest, nach England gekommen. Ich weiß, das ist starker Tobak, aber, so erstaunlich es den meisten Leuten auch vorkommen mag, dich selbst dürfte es nicht komplett überraschen. Die meisten Leute, die nie etwas über ihre früheste Kindheit wussten, haben in Wahrheit sogenannte rudimentäre Erinnerungen an diese Zeit, die tief in ihrem Unterbewusstsein vergraben liegen und an die Oberfläche drängen, wenn sie ins Teenageralter kommen. Ich wage zu behaupten, dass es bei dir nicht anders gewesen ist.
    Kommen wir also zur Sache. Ich halte dich für etwas ganz Besonderes, denn du bist ein genetischer Grenzgänger zwischen zwei Welten. Die eine ist unsere Menschenwelt, mit der wir vertraut sind und die wir als die räumliche und materielle Wirklichkeit unseres Lebens betrachten. Die andere … nun ja, das ist die, die ich näher erläutern muss. Diese andere Welt, die ich Hyddenwelt nenne, können wir Menschen nicht sehen. Aus vielerlei Gründen, aber hauptsächlich deshalb, weil wir nicht glauben, dass sie überhaupt existiert. Seit mindestens zweitausend Jahren lehrt man uns, dass es sie nicht gibt, und immer wieder sind Menschen, ja ganze Gemeinschaften abgeschlachtet worden, weil sie das Gegenteil behauptet haben. Wir haben die Fähigkeit verloren, diese Welt zu sehen, so wie jemand, der für viele Jahre vorübergehend sein Sehvermögen verliert und danach erst wieder lernen muss, seine Umgebung so wahrzunehmen wie die Sehenden. Was die Welt der Hydden angeht, so sind die Menschen blind dafür geworden, dass sie inmitten der unsrigen existiert, und, was ebenso wichtig ist, ahnungslos, was das für unser Verständnis der Welt bedeutet.
    Bei vielen von uns, und das ist die gute Nachricht, hat der Glaube überdauert, dass diese Welt der Hydden – die Welt kleiner Leute – existiert. Sie ist ebenso real wir unsere eigene. Tatsächlich findet man praktisch in jeder Gesellschaft oder Kultur auf der ganzen Welt so viele traditionelle und kulturelle Bezüge auf die kleinen Leute, dass die meisten vernünftigen Denker allein schon darin einen hinreichenden Beweis für ihre Existenz