Der fuenfte Berg
wie die Ägypter sagten, wieder zurückzuholen - gar nichts.
>Wir werden bestraft, weil wir nicht mehr sorgfältig
hüten können, was heilig ist<, dachte der Priester. >Die Assyrer stehen vor unseren Toren, werden das Tal durchqueren und die Zivilisation unserer Vorfahren zerstören.<
Und sie würden der Schrift ein Ende bereiten. Der Priester wußte, daß die Anwesenheit des Feindes kein Zufall
war.
Das war der Preis, der zu zahlen war. Die Götter hatten alles so gut geplant, daß niemand bemerkte, daß sie dahintersteckten. Sie hatten einen Stadthauptmann an die Macht gebracht, der sich mehr um den Handel als das Heer kümmerte, sie hatten die Gier der Assyrer erregt, hatten es immer weniger regnen lassen und einen Fremden in die Stadt gebracht, um sie zu entzweien. Bald schon würde die endgültige Schlacht geschlagen werden. Akbar würde weiter bestehen - doch die gefährlichen Byblos-Schriftzeichen würden auf ewig vom Angesicht der Erde getilgt.
Der Priester reinigte sorgfältig den Stein, der den Ort bezeichnete, an dem vor vielen Generationen der fremde Pilger den ihm vom Himmel gezeigten Ort gefunden hatte, an dem er dann die Stadt gründete. >Wie schön er doch ist<, dachte der Priester. Die Steine waren ein Bild der Götter - hart und widerstandsfähig, unter allen Umständen überlebensfähig und einfach da. Eine mündlich überlieferte Legende besagte, daß die Mitte der Welt durch einen Stein markiert sei, und als Kind hatte der Priester in die Welt hinausziehen wollen, um ihn zu suchen. Dieser Wunsch war eigentlich erst erstorben, als die Assyrer am Taleingang auftauchten; da hatte er begriffen, daß er diesen Traum niemals würde verwirklichen können.
»Sei's drum. Das Schicksal will offenbar, daß meine Generation dafür büßen muß, daß sie die Götter erzürnt hat. Es gibt in der Geschichte der Welt Unabwendbares, und wir müssen es akzeptieren.«
Er gelobte sich, den Göttern zu gehorchen: Er würde den Krieg nicht zu verhindern suchen.
»Vielleicht sind wir am Ende der Zeiten angelangt. Die Krisen werden immer größer und lassen sich nicht länger umschiffen.«
Der Priester nahm seinen Stab und trat aus dem kleinen Tempel heraus. Er war mit dem Kommandanten der Garnison verabredet.
Er war schon fast an der Südmauer angelangt, als ihn Elia ansprach.
»Der Herr hat einen Jungen von den Toten erweckt«, sagte der Israelit. »Die Stadt glaubt an meine Macht.«
»Der Junge wird nicht tot gewesen sein«, entgegnete der Priester. »Dies ist schon häufiger geschehen. Das Herz bleibt stehen, und dann beginnt es plötzlich wieder zu schlagen. Heute redet die ganze Stadt darüber, doch schon morgen werden sie sich daran erinnern, daß die Götter nah sind und hören können, was sie sagen. Dann werden sie wieder verstummen. Ich muß jetzt gehen, denn die Assyrer bereiten sich zur Schlacht.«
»Hört, was ich Euch zu sagen habe: Nach dem Wunder von gestern abend habe ich außerhalb der Stadtmauern geschlafen, denn ich brauchte etwas Ruhe. Da erschien mir wieder der Engel, den ich schon oben auf dem Fünften Berg gesehen hatte. Und er sagte zu mir: Akbar wird vom Krieg zerstört werden.«
»Städte können zerstört werden«, sagte der Priester. »Sie werden siebenundsiebzig Mal wieder aufgebaut, denn die Götter wissen, wohin sie sie gebaut haben, und wollen sie an diesem bestimmten Ort haben.«
Der Stadthauptmann kam von einer Gruppe Höflingen begleitet heran und fragte: »Was sagt Ihr da?«
»Ihr sollt den Frieden suchen«, antwortete Elia.
»Wenn Ihr Angst habt, so geht doch dahin zurück, woher Ihr gekommen seid«, entgegnete der Priester barsch.
»Isebel und ihr König warten auf die geflohenen Propheten, um sie zu töten«, sagte der Stadthauptmann. »Doch ich möchte gern, daß Ihr mir berichtet, wie es Euch gelungen ist, auf den Fünften Berg zu steigen, ohne vom Feuer vernichtet zu werden.«
Der Priester mußte diese Unterhaltung unterbrechen. Der Stadthauptmann schien mit den Assyrern verhandeln und Elia für seine Zwecke benutzen zu wollen.
»Hört nicht auf ihn«, sagte er. »Gestern, vor Gericht, sah ich ihn vor Angst weinen.«
»Meine Tränen galten dem Bösen, das ich meinte, über Euch gebracht zu haben. Ich fürchte nur zweierlei: den Herrn und mich selbst. Ich bin nicht aus Israel geflohen und bin bereit, dorthin zurückzukehren, sobald es mir der Herr gestattet. Dann werde ich dem Treiben der schönen Prinzessin ein Ende bereiten, und der Glaube Israels ist
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